Schleier über der Koalition

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) plant ein Kopftuchverbot. Das bringt Rot-Rot in Schwierigkeiten, denn die PDS will nicht mitziehen. Kommt das Gesetz am Ende mit den Stimmen der CDU-Fraktion?

von ROBIN ALEXANDER

In der kommenden Woche treffen sich zum ersten Mal Abgeordnete von SPD und PDS, um über ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst zu reden. Eigentlich sollte bereits ein erster Entwurf von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) vorliegen. Der kommt nun erst im Januar. Ob dann eine Einigung gelingt, ist mehr als fraglich.

„Natürlich brauchen wir ein Kopftuchverbot“, erklärt Hans-Georg Lorenz. Den SPD-Abgeordneten aus Spandau halten viele für den eigentlichen Verursacher des Streits. Lorenz habe maßgeblichen Einfluss auf Innensenator Ehrhart Körting (SPD) ausgeübt. Lorenz bestätigt dies: „Körting hatte zuerst eine etwas verwaschene Haltung. Dann habe ich ihm in unserem Arbeitskreis Inneres und Recht dargelegt, wie ich die Sache sehe.“ Nämlich so: Das Kopftuch sei ein Zeichen der Unterdrückung und stehe der demokratischen Teilnahme türkischer Menschen an der Gesellschaft entgegen. Lorenz’ pointierte Haltung speist sich aus langer Erfahrung. Der Rechtsanwalt verbringt mehrere Wochen im Jahr in Ankara und beschäftigt türkische Mitarbeiterinnen in seiner Kanzlei. Lorenz macht keinen Hehl daraus, dass er sich nicht mit den Repressionen des türkischen Staates, wohl aber mit dessen radikal-laizistischen Idealen identifiziert: In seiner Weste, ohne die man ihn nie sieht, steckt eine Taschenuhr mit dem Konterfei Kemal Atatürks, des Gründers der modernen Türkei. Dort gibt es selbstverständlich ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst. In den 70ern lachten sie in der SPD noch über „Kanaken-Lorenz“, heute gilt er in der Fraktion in türkischen Fragen als höchste Autorität.

So sieht es wohl auch Körting: Nach dem Gespräch mit Lorenz kündigte der Innensenator ein Berliner Kopftuchverbot an – nur wenige Tage nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das jedem Bundesland eine eigene gesetzliche Regelung anheim stellt. Körting wollte nicht nur einer der Ersten sein, er ging auch weiter als Kollegen anderer Länder: Nicht nur Staatsdiener mit Publikumskontakt, wie Lehrer oder Richter, gleich den ganzen öffentlichen Dienst wolle er kopftuchfrei halten, so Körting.

Daraus wird nun nichts. Denn Körting ficht diesen Kampf zwar an der Seite von dezidiert christlichen Politikerinnen wie Baden-Württembergs Kultusministerin Annette Schavan (CDU) und Feministinnen wie Alice Schwarzer, aber ohne den Koalitionspartner. Die PDS will kein Kopftuchverbot. Und Körtings unabgesprochener Vorstoß hat sie nicht kompromissbereiter gestimmt. Harald Wolf, Nummer eins der PDS im Senat und im Nebenberuf Frauensenator, erklärte, Körting drohe mit seiner Interpretation „den islamischen Fundamentalisten in die Falle zu gehen“. Heidi Knake-Werner, einzige PDS-Frau in der Regierung, unterzeichnete einen Aufruf der Migrationsbeauftragten der Bundesregierung, Marieluise Beck, der sich gegen die als paternalistisch empfundene Position von Alice Schwarzer richtet. Ähnlich sieht es die Fraktion: „Beamtenrecht und Verordnungen sind kein Mittel zur Durchsetzung von Verständigung“, befindet der Rechtspolitiker Klaus Lederer.

Eine Ausnahme gibt es: Evrim Baba, PDS-Abgeordnete mit kurdisch-alevitischem Hintergrund aus Neukölln: „Ein Kopftuchverbot muss es geben, wie auch andere religiöse Symbole aus den Schulen verbannt werden müssen.“ Hier trifft sich Baba mit Körting, der den einseitig gegen islamische Symbole gerichteten Gesetzentwurf Baden-Württembergs nicht kopieren will. Am 19. November will Baba in einem öffentlichen Hearing ihrer Fraktion noch einmal für das Verbot streiten. Dass das die Mehrheit umstimmt, glaubt sie nicht.

Aus schlimmer Erfahrung mit der Bevormundung in der DDR will die PDS vorsichtig damit sein, Bürger – auch Kopftuchträgerinnen – zu ihrem Besten zu zwingen. „Man kann Emanzipation nicht anordnen“, erklärt Klaus Lederer, der mit den Rechtspolitikern der SPD zu einem Kompromiss kommen soll. Das ist fast unmöglich. Nicht nur Lorenz, auch die anderen SPD-Fachpolitiker sind ausgesprochene Befürworter eines Verbots. „Natürlich bin ich dafür, ich bin schließlich in Neukölln politisch sozialisiert worden“, erklärt Fritz Felgentreu. Er zählt im Gegensatz zum linken Lorenz zur Parteirechten, ist aber mit ihm völlig einer Meinung: „Wir müssen die einfachen Leute schützen, die in unserem Bezirk unter dem Druck von Islamisten stehen.“ Mit der PDS könne man über die Art des Verbots und den Umgang mit christlichen Symbolen reden, nicht aber über die Notwendigkeit eines Verbots. „Notfalls“, so Felgentreu, ginge es auch ohne die PDS: „Alle anderen Fraktionen im Abgeordnetenhaus sind schließlich für ein Verbot. Die CDU hat sogar einen eigenen Antrag eingebracht.“

Ein Wink mit dem Zaunpfahl: Die SPD erwägt, den Koalitionspartner in einer wichtigen Frage einfach zu überstimmen. Noch ist es nicht so weit: „Diese Auseinandersetzung ist mir lieb, denn sie zeigt, dass es hier keine einfachen Lösungen gibt“, meint Lederer: „Unser Widerstand hat die Diskussion erzwungen, das ist gut.“ Auch Ehrhart Körting spricht jetzt von Diskussion, aber nicht von einer ergebnisoffenen: „Im Januar werden wir die Diskussion abgeschlossen haben und ich beabsichtige dann einen Gesetzentwurf vorzulegen.“