PHILIPP MAUSSHARDT über KLATSCH
: Gib mir mein Haar zurück!

Kein Geld zu haben ist schlimm. Aber keine Haare mehr auf dem Kopf ist eine Katastrophe

Ja, Gottschalk auch. Man muss nur einmal ein aktuelles Foto von ihm mit einem Bild von vor drei Jahren vergleichen, dann sieht man es deutlich. Der Haaransatz ist mindestens um zwei Zentimeter Richtung Stirne gerückt, die blonden Locken wirken auf einmal noch dichter und fülliger. Er hat es getan, ich bin mir sicher. Hat sich Haare transplantieren lassen. Wahrscheinlich in den USA.

Würde Gottschalk die taz lesen, er würde noch heute Morgen Rechtsanwalt Matthias Prinz anrufen und fragen, ob man gegen diese ehrverletzende Behauptung etwas unternehmen könne. Denn so wenig wie Barbara Becker und Co. über ihre Brustvergrößerungen reden möchten, so tabu ist es, „Goldlocke“ und andere männliche Prominente auf ihren Haarausfall anzusprechen. Nur im Internet tuschelt man darüber …

Fernsehmoderator Max Schautzer nimmt irgendwelche Pillen und lieber Nebenwirkungen in Kauf, nur damit SIE wieder wachsen, Uwe Ochsenknecht macht Werbung für ein Haarwuchsmittel, und ich überlege auch schon eine ganze Zeit lang, ob ich nicht wenigstens die aus dem Bockshornklee gewonnenen „Hairpower Caps“ schlucken soll. Ein Freund schwört darauf. Es würde jetzt wieder etwas sprießen, wo davor Platte war.

Zumindest seit dieser verdammten Emnid-Umfrage bin ich wieder ins Grübeln geraten, wonach Männer mit lichtem Haar von Frauen als deutlich weniger sexuell attraktiv eingestuft werden als Männer mit vollem Haar. Da haben sich Kojak (Telly Savalas) und Yul Brynner doch solche Mühe gegeben – nichts war's.

Erst gestern beleidigte mich wieder eine eigentlich nette Kollegin. Sie saß bei einem kleinen Umtrunk neben dem sehr behaarten Chefredakteur und Verleger der (lesenwerten) Zeitschrift Mare und gestand mir anschließend: Sie hätte ihm so gerne in seine verstrubelten Haare gefasst. Wahrscheinlich hat sie sich gar nichts dabei gedacht. Doch ich verstand die Botschaft wohl.

Uns Gelichteten bleibt nur der Charme.

Wie es anfing mit den Geheimratsecken – was für ein tödliches Wort! – nahm ich es noch leicht. Die Mädchen lachten, als ich zur Gitarre mein Liedlein sang: „Als ich noch viele Haare hatte / Da war'n mir die Mädchen noch hold / Und manche Muntere, manche Matte / Hat mir die Kringel aufgerollt.“ Je wütender ich es mit den Jahren sang, desto lauter amüsierten sie sich.

Nicht allein zu sein, ist da kein Trost: „Rund 14 Millionen Deutsche leiden unter Haarausfall“, steht in einer Pressemitteilung der Firma „Naturemedics“. Leiden! Als wären wir noch Affen oder Borstenwürmer. Als wäre die Menschwerdung nicht gerade auch eine Befreiung von Pelz und Fell.

Doch warum setzt Udo Lindenberg seinen Hut auch im Bett nicht mehr ab? Warum sind uns die Farben des Kanzlers Haar so wichtig? Warum werden Glatzköpfe – wieder so eine Umfrage – im Schnitt härter vor Gericht bestraft als Vollhaarträger? Es geht um fadenförmige Gebilde aus Keratin, dünner als ein Tausendstel Millimeter. Es geht um Sex.

Brad Pitt bekommt Geheimratsecken, und Michael Ballack verliert jeden Tag 100 Haare. Jetzt stockt mancher Leserin das Blut. Jetzt bricht grade eine Welt zusammen.

Verstehe, wer will: Kürzlich fühlte ich beim Liebesspiel bei ihr ein Haar an einer Stelle, wo niemals ein Haar hätte sein dürfen. Eigentlich hätte ich das Licht anknipsen und nach Hause gehen können. Aber man ist dann doch so wohlerzogen, bleibt und schweigt. Der Abend war gelaufen.

Tipps zum Haarwuchs?kolumne@taz.deDienstag: BernhardPötter über KINDER