Der Kriegsgegner, dem der Irak nicht nützt

John Kerry wirkt wie eine traurige Bulldogge, dabei könnte der Vietnamveteran vom Antikriegssog profitieren

Bereits 1971 stand John F. Kerry vor dem Auswärtigen Ausschuss des US-Senats und hielt eine so leidenschaftliche wie viel beachtete Rede gegen den Vietnamkrieg. „Wie fragt man einen Mann, ob er der letzte sein will, der für einen Fehler stirbt?“, rief der frisch vom Schlachtfeld zurückgekehrte 27-Jährige. Auf dem Papier ist der heute 59-jährige Senator von Massachusetts ein idealer Präsidentschaftsbewerber der Demokraten.

In seinen Jahren in Washington erwarb er sich einen soliden liberalen Ruf im Kongress und leitete kontroverse Untersuchungen wie zur Iran-Contra-Affäre. Anders als etwa der Mitbewerber und Exgeneral Wesley Clark, kann der Veteran Kerry auch auf Erfahrungen in der Innenpolitik verweisen. Das machte ihn zu einem hopeful. Doch sein Wahlkampf blieb glanzlos, und inzwischen ist Spitzenreiter Howard Dean weit an ihm vorbeigezogen.

Die Gründe? Kerrys Wahlkampfteam ist zu groß und steht sich selbst im Wege. Der volle Terminkalender im Kongress erlaubt ihm keine langen Ausflüge, so dass er viel zu wenig durch wahlentscheidende Bundesstaaten tourt. Doch viel wichtiger: Kerry hat das Charisma einer traurigen Bulldogge. Oft wirkt er abgespannt, müde, zudem unnahbar. Der Aristrokrat aus Neuengland, ausgebildet an Eliteschulen, stets im feinsten Zwirn und verheiratet mit „Heinz-Ketchup“-Millionenerbin Teresa Heinz, konnte bislang nicht bei Joe Sixpack und in den Südstaaten punkten. Überdies mangelt es ihm an einer unverwechselbaren „Kerry“- Botschaft.

Seine Manager versuchen den Vietnamveteran als heldenhaften Kämpfer für das Vaterland zu porträtieren, der jedoch schließlich die Sinnlosigkeit des Krieges erkannte und auf keiner Antikriegsdemonstration fehlte. Diese Wandlung scheint Kerry nun im Fall Irak ein zweites Mal zu durchlaufen. Im Oktober 2002 unterstützte er George Bushs Kriegsresolution im Kongress. Dann wandelte er sich zum scharfen Kritiker von Bushs Kurs. Dennoch plädierte er anfangs für ein nation-building im Irak, nur um dann das 87-Milliarden-Paket zum Wiederaufbau des Landes abzulehnen.

Seine Ambivalenz machte ihn vor allem unter eingefleischten Demokraten und Kriegsgegnern unbeliebt. Offenbar ratlos, wie er sein Stimmungstief überwinden kann, versucht er nun seinen ärgsten Kontrahenten Dean madig zu machen. Als er jüngst während eines Interviews minutenlang Dean attackierte, forderte ihn die Journalistin höflich auf, doch seine eigenen Politikentwürfe vorzustellen.

Trotzdem wäre es verfrüht, Kerry abzuschreiben. In Wahlkämpfen um den Einzug in den Senat lag er oft scheinbar abgeschlagen zurück, startete dann eine kraftvolle Aufholjagd und gewann. Dass dieser Moment gekommen sein könnte, signalisierte er am Montag, als er seinen Wahlkampfmanager feuerte und in der „Tonight Show“ mit Jay Leno den lockeren Nachbarn von nebenan spielte.

MICHAEL STRECK