Bush im Dilemma

Doppelstrategie? Spagat? Die US-Truppen im Irak wollen zugleich hart gegen den Widerstand vorgehen und eine Übergangsregierung bilden

aus Washington MICHAEL STRECK

Die USA reagieren mit einer Doppelstrategie auf die immer gefährlichere Lage und den sich ausweitenden Guerillakrieg im Irak. US-Streitkräfte sollen vor Ort aggressiver gegen mutmaßliche Terrorverstecke vorgehen, auch um den Preis, sich in der Bevölkerung noch unbeliebter zu machen. Gleichzeitig will das Weiße Haus politische Reformen in Bagdad beschleunigen. Nach dem Vorbild Afghanistans denkt die US-Regierung laut über die Bildung einer Übergangsregierung nach, die den Irak bis zur Verabschiedung einer Verfassung und ersten freien Wahlen führen soll. Der Zeitplan für die Übertragung der Souveränität ist jedoch bisher unklar.

Auch die Gespräche mit Zivilverwalter Paul Bremer, der am Mittwoch zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage nach Washington beordert wurde, brachten hierzu nichts Konkretes. Bremer sprach sich lediglich dafür aus, dass der von den USA eingesetzte irakische Regierungsrat weiterhin für die Ausarbeitung einer Verfassung und die Vorbereitung von Wahlen zuständig bleiben solle, obwohl die US-Regierung mit der schleppenden Erarbeitung der neuen Verfassung unzufrieden ist.

Die Stimmung im Weißen Haus dürfte sich weiter verschlechtert haben, nachdem ausgerechnet zum Bremer-Besuch ein geheimes CIA-Papier durchsickerte, das von einer alarmierenden Lage im Irak spricht. Der von der Zeitung Philadephia Inquirer veröffentlichte Bericht kommt zu dem Schluss, dass kein irakischer Politiker die notwendigen Führungsqualitäten besitze, um das Land zu regieren. Zudem sei die irakische Opposition überzeugt, die Besatzungstruppen vertreiben zu können. Die Verfasser zweifeln an der Fähigkeit der USA, den Guerillaaufstand niederzuschlagen. Die Demokratisierung des Irak drohe zu scheitern.

Zu all dem wird die Lage an der Heimatfront für US-Präsident George W. Bush immer ungemütlicher. Eine Umfrage der Washington Post besagt, dass zwar 61 Prozent der US-Amerikaner glauben, die Besatzung des Zweistromlandes sei Teil des Antiterrorkampfs, doch nur 14 Prozent denken, es sei der wichtigste Schauplatz im Krieg gegen den Terror, wie Bush stets betont. „Dies bedroht die Unterstützung für die Besatzung des Irak, da sie nicht länger als etwas angesehen wird, dass wir für unseren eigenen Schutz unternehmen müssen“, sagt Andrew Cohut vom Pew Research Center.

Auch eine wachsende Zahl von Republikanern begeht Fahnenflucht. So kritisierte der Kongressabgeordnete Jim Leach aus Iowa den Irakkrieg als „eine der größten strategischen Fehleinschätzungen in der US-Geschichte“. Eine fortdauernde Besatzung bedrohe stattdessen die Nationale Sicherheit der USA.

Die von der Bush-Regierung nunmehr anvisierte „Exit-Strategie“ – der rasche Transfer von Verantwortung an Iraker im eigenen Land gekoppelt mit vorzeitigem Abzug von US-Streitkräften – ist jedoch unter Nahostexperten hierzulande höchst umstritten. Die vorschnelle Übergabe politischer Macht an eine schwache Zentralregierung könnte das Land weiter destabilisieren und den Zerfall der staatlichen Einheit entlang ethnisch-religiöser Grenzen beschleunigen. Der Aufbau demokratischer Institutionen werde mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Viele bezweifeln zudem, dass der Guerillakrieg aufhören werde, nur weilsich der US-Einfluss verringere. „Glaubt jemand ernsthaft, dass eine schlecht ausgebildete irakische Armee Sicherheit herstellen kann, wenn es die Amerikaner nicht können?“, fragt Newsweek-Kolumnist Fareed Zakaria. „Es gibt keinen raschen Ausweg. Der Irak bleibt auf lange Zeit unser Problem.“