„Ungeheuerlich – die Stasi lässt grüßen“

Rasmus Grobe, Sprecher des Bündnisses gegen den Castor, ist empört „wie viel Demokratie dieses Land eingebüßt hat“

taz: Erstaunlich viele Aktivisten des Bündnisses X-tausendmal quer wurden bei diesem Transport von festgehalten. Warum?

Rasmus Grobe: Die Polizei hat diesmal bei uns zwei Spitzel eingeschleust. Wir haben das erst von den Gerichten erfahren: Die Spitzel hatten verschiedene Aktivisten angeschwärzt. Und diese Spitzelaussagen dienten den Richtern als Grundlage ihres Spruchs.

Der wie hieß?

Wegsperren – juristisch „in Gewahrsam nehmen“ genannt – und erst wieder freilassen, wenn der Castor im Zwischenlager war.

Mit welcher Begründung?

Die Richter stützen sich auf die Spitzelaussagen: Die Leute hätten gemeinschaftlich beschlossen, nach einer Aktion auf den Schienen bei Rohstorf noch an einer anderen Aktion auf der Straße teilnehmen zu wollen. Ein ungeheurer Vorgang – die Stasi lässt grüßen.

Auf welcher Rechtsgrundlage kann die Polizei sich des Spitzeltums bedienen?

Das prüfen wir gerade. Zwei Tage vor dem Castortransport gab es Berichte, es habe einen Antrag gegeben, eine polizeibekannte Anti-Atom-Initiative observieren zu lassen – und zwar nicht per Telefon. Wir haben jetzt die dringende Vermutung, dass X-tausendmal quer damit gemeint war.

Augenzeugen haben berichtet, die Spannungen zwischen Demonstranten und Polizei seien weniger eskaliert als in anderen Jahren. Sie hingegen erheben massive Vorwürfe gegen die Justiz?

Das Amtsgericht Uelzen hatte vor dem Transport noch einmal festgestellt: Leute, die in Gewahrsam genommen werden, müssen binnen zwei Stunden dem Haftrichter vorgeführt werden. Bezirksregierung und Polizei hatten vor diesem Transport erklärt, dies unmittelbar zu tun. Um dann doch ganz anders zu praktizieren: Menschen, die beispielsweise in die Gefangenensammelstelle nach Lüneburg gebracht wurden, waren auch nach fünfeinhalb Stunden noch keinem Haftrichter vorgeführt. Der Rekord diesmal ist 19 Stunden ohne Haftrichter.

Trotzdem hat der Polizeieinsatz 25 Millionen Euro gekostet.

So viel ist offenbar nötig, um gegen den Widerstand vorzugehen. Wir werden mit Hilfe des Republikanischen Anwaltsvereins jetztRechtsmittel einlegen. Aber genau das ist das Problem: Hinterher wird immer festgestellt, dass das Vorgehen rechtsstaatlich unkorrekt war. Nur: Es ändert sich beim nächsten Transport nichts. Castor-Transporte zeigen, wie viel Rechtsstaatlichkeit, wie viel Demokratie dieses Land eingebüßt hat. INTERVIEW: NICK REIMER