„Wir brechen nicht in Jubel aus“

Umweltverbände und Bürgerinitiativen zeigen stark gedämpfte Freude über das Abschalten des AKW Stade: „Vorher hatten wir 19 AKWs, dann haben wir 18. Das ändert nicht viel.“ Auch die Grünen und die SPD bleiben ganz cool

„Die große Fetemachen wir erst,wenn der letzteReaktor vom Netz ist“

BERLIN taz ■ Heute lädt Umweltminister Jürgen Trittin zum Empfang in sein Berliner Lieblingsrestaurant. Manfred Krug wird singen und man wird anstoßen auf den ersten deutschen Atommeiler, der dank dem Atomkonsens vom Netz geht. Trittin will all jene um sich scharen, die den „langen und mühsamen Weg des Atomausstiegs mitgegangen sind“. Doch vielen ist nicht nach Feiern zumute.

Gerade die Umweltverbände, die über Jahrzehnte mit den Grünen Seite an Seite kämpften, wollen dem Minister heute nicht zuprosten. Greenpeace und der BUND können sich gerade mal dazu durchringen, die Abschaltung vom Akw Stade zu „begrüßen“ – um dann auf die Atommüllprobleme hinzuweisen. „Wir brechen nicht in Jubel aus“, sagt Walter Jungbauer, Atomexperte beim BUND. „Nach fünf Jahren Rot-Grün geht gerade mal der erste Meiler vom Netz.“ Sein Fazit: „Freude ja, aber sehr gedämpft.“

Auch Susanne Ochse, Leiterin der Atomkampagne von Greenpeace kommt nicht: „Ich will es nicht mies machen, dass Stade vom Netz geht.“ Doch solle man nicht übertreiben: „Vorher hatten wir 19 AKWs, dann haben wir 18“, das ändere nicht viel. „Die große Fete machen wir erst, wenn der letzte Reaktor vom Netz ist.“ Zudem sei diese Woche keine gute Woche zum Feiern, „wegen des Castor-Transports“.

Noch deutlicher wird die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, die den Abschalttermin nahe dem Castor-Transport für abgekartet hält: „Dem Protest im Wendland soll offenbar gezielt der Wind aus den Segeln genommen werden.“ Erstaunlicherweise ist auch die SPD nicht in Feierlaune. „Wir freuen uns“, sagt der SPD-Energiepolitiker Axel Berg. „Aber feiern? Das Thema ist emotional nicht so wichtig für uns wie für die Grünen.“

Viele Aktivisten wollen den Erfolg ohnehin nicht gelten lassen. Schließlich gab der Betreiber E.on „wirtschaftliche Gründe“ für die Schließung von Stade an. Diese Gründe aber, betont Trittin, sind erst entstanden durch die Begrenzung der Betriebsgenehmigung durch den Atomkonsens. „Der Ausstieg geht Schritt für Schritt weiter: Nächste Station ist Obrigheim.“

Dabei ist die Freude selbst bei Grünen nicht gerade überschwänglich. Der kleine Empfang heute von Trittin und eine Party am 20. in Stade – das war’s. Mehr als zwei Meiler werden es nicht bis zur nächsten Wahl. Danach, hat CDU-Parteichefin Angela Merkel erklärt, will sie Schluss machen mit dem Ausstieg. Ihre Chancen stehen gut.

MATTHIAS URBACH