Schrumpfen als Konzept

Das Einzelhandelskonzept östliches Ruhrgebiet ist ein Erfolg. Gestern appelierten die Strategen an die neu gewählten Räte, weiter gemeinsam zu planen. Sie wollen schrumpfende Zentren neu verwalten

aus DORTMUNDANNIKA JOERES

Geschäftsleute fürchten die neuen BürgermeisterInnen. Einen Monat nach den Kommunalwahlen appellierten Einzelhandelsverbände, Industrie- und Handelskammern und StadtplanerInnen gestern in Dortmund an die neuen Räte, das Einzelhandelskonzept östliches Ruhrgebiet nicht zu torpedieren. „Haltet Euch an unsere Devisen und verhindert die Einkaufszentren auf der Grünen Wiese“, sagt Jürgen Evert, Beigeordneter der Stadt Lünen und Vorsitzender der Interkommunalen Zusammenarbeit. Die Karstadt-Krise zeige: „Nie war das Konzept so wichtig wie heute.“

Das Einzelhandelskonzept im östlichen Revier war 1999 das erste in ganz Nordrhein-Westfalen, heute ist es auch das erfolgreichste. Neunzehn Städte von Dortmund bis Hamm, von Selm bis Hagen versuchen seitdem, ihre Innenstädte neu zu beleben. „Wir haben mit einem Paradigmenwechsel zu leben“, sagt Ulrich Wollrath, Geschäftsführer der IHK zu Dortmund. „Jetzt heißt es Schrumpfung statt Wachstum.“ Die Bevölkerung nehme ab, die wachsende Rentner-Generation habe das Geld nicht so dicke. Zurzeit würden nur noch Discounter und Lifestyle-orientierte Geschäfte Gewinne einfahren. „Die Karstadt-Krise ist nur die Spitze des Eisberges“, sagt Wollrath. Vor allem den Konsumtempel auf der grüne Wiese haben die Geschäftsleute den Kampf angesagt. „Einen Tod muss man sterben“, sagt Wollrath. Entweder fände der Konsum vor den Toren der Stadt oder im Zentrum statt – beides zusammen gehe nicht mehr.

Das Einzelhandelskonzept versucht nun, den Mangel zu verwalten. So sind seine größten Erfolge verhinderte Projekte: Lünen stoppte die Entwicklung eines Designer-Outlet-Centers, weil die von den Investoren geforderte Verkaufsfläche nicht regionalverträglich gewesen wäre. Kamen wählte den Standort für eine neue Ikea-Filiale in Absprache mit seinen Nachbarkommunen. „Wir haben keine Konsenssoße fabriziert“, sagt Heinz-Martin Muhle, Projektentwickler aus Hamm. Aber alle seien sensibler geworden. Drei Ziele einen die Städte: Die Innenstädte sollen auch mit schwindenden Geschäften attraktiv bleiben und für alle BürgerInnen, also auch denjenigen in äußeren Stadtbezirken, soll die Nahversorgung gesichert sein. Außerdem sollen regionale Schwerpunkte gesetzt werden, zum Beispiel durch neuartige Freizeit- und Dienstleistungskonzepte.

Auch die Bezirksregierung lobt das Dortmunder Konzept. „Wir wären froh, wenn es solche Konzepte flächendeckend in Nordrhein-Westfalen gebe“, sagt Karola Geiß-Netthöfel von der Bezirksregierung Arnsberg. Froh wären sicherlich auch die Städte im Westen des Ruhrgebiets: Dort ist das Einzelhandelskonzept westliches Ruhrgebiet vorerst gescheitert. Zwar haben alle Städte, von Essen bis Duisburg über Oberhausen und Mülheim, das Konzept unterschrieben, aber seit Monaten gibt es Streit mit Oberhausen. Die Stadt hält daran fest, das Centro massiv zu vergrößern.