Zwangsheirat soll ins Strafgesetzbuch

Rot-Rot will FDP-Antrag folgen und eine baden-württembergische Bundesratsinitiative gegen die Zwangsehen unterstützen. Die Grünen halten die Initiative für zweifelhaft: Für sie lässt der Gesetzentwurf zu viele Fragen offen

Berlin macht mobil gegen Zwangsheirat. Vertreter der rot-roten Koalition sprachen sich gestern gegenüber der taz dafür aus, dass das Land im Bundesrat einen entsprechenden Gesetzentwurf unterstützt. Die Initiative geht allerdings nicht von Berlin selbst aus, dem Land mit dem höchsten Migrantenanteil. Vielmehr muss die rot-rote Koalition gleich zweimal nachziehen: Auf Bundesebene ist bereits Baden-Württemberg nach vorn gegangen. Und gestern im Abgeordnetenhaus war es die FDP-Fraktion, die beantragte, diese Bundesratsinitiative zu unterstützen.

230 Fälle einer Zwangsheirat hatte eine Studie im vergangenen Jahr für Berlin verzeichnet. „Die Dunkelziffer ist bei weitem höher“, sagt die FDP-Frauenpolitikerin Mieke Senftleben. Den jetzt von ihr vorgelegten Antrag hätte sie sich schon länger von Rot-Rot erwartet. „Da kann man dem Senat ruhig mal in die Schuhe helfen“, sagte Senftleben.

Baden-Württemberg hatte seine im FDP-geführten Justizministerium entwickelte Initiative Anfang Oktober in den Bundesrat eingebracht. Derzeit liegt der Entwurf dort in den Ausschüssen, zur Abstimmung im Plenum kommt es frühestens in der Dezember-Sitzung. So bleibt auch für Berlin Zeit, darüber im Abgeordnetenhaus zu beraten.

Der Entwurf sieht vor, Zwangsheirat zu einem Straftatbestand mit einem Strafrahmen zwischen drei Monaten und fünf Jahren zu machen. Bislang läuft Zwangsheirat strafrechtlich als Fall von Nötigung, Menschenhandel oder Verschleppung. Parallel dazu will auch die rot-grüne Bundesregierung das Strafgesetzbuch verändern. Die baden-württembergische Initiative erfasst aber auch das Zivilrecht und will die Rechte der Opfer stärken. Sie sollen etwa keine Nachteile beim Unterhaltsanspruch befürchten müssen.

„Die Art und Weise, wie Baden-Württemberg das behandelt, scheint zielführend zu sein“, sagte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Fritz Felgentreu, der taz: „Wir schließen uns dem an.“ Ähnlich äußerte sich auch die PDS-Frauenpolitikerin Evrim Baba. Für sie reicht Abschreckung aber nicht aus. Sie will einen Aktionsplan zur Prävention. Für Dezember kündigte sie öffentliche Anhörungen zum Thema Zwangsheirat an.

Baba und Felgentreu betonten, Zwangsehen seien nicht mit vermittelten Ehen gleichzusetzen, mit denen beide Partner einverstanden sind. Für Felgentreu ist entscheidend, wie die Opfer die Lage beurteilen.

Zurückhaltend äußerte sich gestern die Justizverwaltung des Senats. „Wir wollen uns noch nicht festlegen, weil wir das Gesetz erst mal prüfen müssen“, sagte Sprecherin Andrea Boehnke. Das habe schließlich weitreichende Auswirkungen, etwa auf das Erb- und Ausländerrecht.

Die Grünen wiederum zweifeln an der baden-württembergischen Initiative. Für ihre Fraktionschefin Sibyll Klotz ist vieles noch nicht geklärt, etwa das Bleibrecht nach Aufhebung einer Ehe oder die Unterhaltspflichten. Klotz: „Der Gesetzentwurf ist nicht zu Ende gedacht.“

STEFAN ALBERTI