Das alte Hausmittel

Fachlich gab es an Holger Fach wenig auszusetzen. Nach nur neun Punkten in zehn Spielen musste er seinen Trainerstuhl dennoch räumen

AUS GLADBACH DANIEL THEWELEIT

Rolf Königs ist ein höflicher Mensch. Wer mit dem Präsidenten von Borussia Mönchengladbach spricht, gewinnt den Eindruck, Königs sei ein zurückhaltender und besonnener Zeitgenosse, seine Stimme klingt weich und sein Gesicht hat einen sanften Ausdruck. Aber im Innern des Präsidenten muss es brodeln, hier scheint die Ungeduld Herr der Gedanken zu sein. Schon im vergangenen Winter sorgte des Präsidenten Aussage, man könne durchaus den Uefa-Cup erreichen, für verständnisloses Kopfschütteln im Umfeld. Der Klub steckte damals mitten im Abstiegskampf, da half es wenig, dass die Erwartungen von Fans und Öffentlichkeit von offizieller Seite derart gesteigert wurden. Es schien, als habe der Unternehmer daraus gelernt, beharrlich wiederholte Königs in der laufenden Saison als Ziel, man wolle sich „in der Liga etablieren“. Diese Bescheidenheit muss ihn eine Menge Kraft gekostet haben.

Am Mittwoch ist dem Präsidenten jedenfalls der Geduldsfaden gerissen. In einem „einstimmigen Präsidiumsbeschluss“ entschied der Klub, sich von seinem Trainer Holger Fach zu trennen, eine Niederlage für die gesamte sportliche Abteilung der Borussia. Die Mannschaft kam ganz gut klar mit Fach, und Sportdirektor Christian Hochstätter, der seinen Kumpel vor etwa 13 Monaten installierte, hatte bei Fachs Einstellung gesagt: „Das Risiko liegt bei mir, aber ich trage dieses Risiko gerne, weil ich weiß, dass wir nach vorne kommen werden.“ Prompt forderte Bild gestern: „Eigentlich sollten sie gemeinsam fliegen.“ Derweil betet Hochstätter immer wieder seine dünne Erklärung herunter, die der Klub zum Motto der Woche erhoben hat: „Die Ergebnisse entsprechen nicht unseren Vorstellungen, neun Punkte aus zehn Spielen sind zu wenig, aus diesem Grund haben wir uns entschieden, zu reagieren.“

Dass Holger Fach die Schuld am misslichen Tabellenstand trägt, hat dabei überhaupt niemand behauptet, und genau das macht diese Trainerentlassung zu einem merkwürdigen Ereignis. Hilflos, als sei man willenlos getrieben von den Kräften der Branche, wirkten die Verantwortlichen am Tag der Trennung. Mangels anderer Ideen griff man eben zum alten Hausmittel Trainerentlassung. Jetzt soll die Mannschaft vorübergehend von Amateurtrainer Horst Köppel betreut werden, bis ein Nachfolger gefunden ist, im Rennen sind die üblichen Verdächtigen, Jörg Berger, Jürgen Röber und Klaus Toppmöller, als Wunschkandidaten gelten Rudi Völler und Ottmar Hitzfeld, die aber kaum zu bekommen sein werden. Auch über die ehemaligen Gladbacher Winnie Schäfer, Jupp Heynckes, Berti Vogts und Lothar Matthäus wird spekuliert. „Wir haben keinen Zeitdruck und keine Namenslisten“, so Königs.

Allerdings suche man einen „Trainer, der charakterlich und fachlich zu uns passt“, so der Präsident, und vielleicht steckt in dieser Aussage eine zentrale Ursache für die Entlassung Fachs. Denn charakterlich war der 42-Jährige nicht immer stabil. Inhaltlich hingegen hatte man wenig an seiner Arbeit auszusetzen, spielerisch gab es sogar gewisse Fortschritte. Fachs öffentliche Auftritte hingegen hinterließen bisweilen einen faden Geschmack. Schon in der vergangenen Saison hatte der Trainer mehrfach öffentlich an der Bundesligatauglichkeit seines Teams gezweifelt, damals betreute er jedoch eine Mannschaft, die seine Vorgänger zusammengestellt hatten. Als Fach nach dem 2:2 gegen Hansa Rostock Ende September verkündete, es fehle „auch dieses Jahr wieder die persönliche Klasse“, verlor er ein gewaltiges Stück Glaubwürdigkeit. Auch dass er sich am Dienstagabend nach dem 0:3 in Bochum weigerte, zu den Fans, die nach ihm riefen, hinauszugehen, passt zum schlingernden Führungskurs des Holger Fach. Von den Spielern forderte er stets höchste Kritikfähigkeit („Das sind Profis!“), er selber aber wurde schnell fuchsig und unsachlich, wenn seine Arbeit hinterfragt wurde. Die Kritik der Fans wollte er sich noch nicht einmal anhören.

Das ungeduldige Präsidium mit Textilunternehmer Königs, Geschäftsführer Stephan Schippers und Vizepräsident Siegfried Söllner hat nun die Gelegenheit ergriffen und ihn rausgeworfen. Alles Herren übrigens, die nicht aus dem Fußball kommen, die aber das Unternehmen Borussia mit dem neuen Stadion zu einem florierenden Unternehmen formen wollen. Auch dieser Eindruck bleibt nach der Entlassung Fachs: Da treffen fachfremde Menschen sportliche Entscheidungen und scheinen bisweilen zu vergessen, dass Erfolge im Fußball, anders als ein Stadion, nicht am Reißbrett planbar sind.