Belgrad sendet Zeichen der Entspannung

Der Präsident Serbien-Montenegros entschuldigt sich vor dem bosnischen Parlament für Krieg und Unrecht

SARAJEVO taz ■ Der Präsident Serbien-Montenegros, Svetozar Marović, hat sich bei einer Rede im bosnischen Parlament am Donnerstagnachmittag für den Krieg 1992–1995 entschuldigt. „Für das Unrecht, das alle hier erlitten haben, bitten wir um Entschuldigung.“

Gleichzeitig wies er jedoch alle Kollektivschuld zurück. Verantwortlich für die begangenen Verbrechen seien die jeweiligen Täter und nicht ganze Völker, erklärte er nach einem Treffen mit dem dreiköpfigen bosnischen Staatspräsidium. Danach unterzeichneten die Führungen beider Staaten einen Vertrag, der es allen bosnisch-herzegowinischen Bürgern und nicht nur den serbischen Bosniern erlaubt, mit der Kennkarte ohne weiteren Formalitäten nach Serbien-Montenegro einzureisen.

Den Vertretern der bosnischen Serben im Staatspräsidium dürften diese Ausführungen nicht gefallen haben, verstieß der Präsident Serbien-Montenegros damit doch gegen den bisherigen Konsens nicht nur in der serbischen Gesellschaft, sondern vor allem gegen die Ideologie der Mehrheit unter den bosnischen Serben. In deren Verständnis handelte es sich bei dem Krieg in Bosnien um einen Bürgerkrieg, an dem alle Volksgruppen gleichermaßen Schuld trügen, und nicht um eine Aggression aus Serbien, an der sich bosnische Serben beteiligten, wie es letztlich aus der Entschuldigung Marović’ hervorgeht.

Bei Muslimen und Kroaten in Sarajevo fanden Marović’ Äußerungen positiven Widerhall. Allerdings wird in den bosnischen Medien auch davor gewarnt, die Meinung Marović’ als repräsentativ für die gesamte serbische Bevölkerung anzunehmen. Marović könne als Montenegriner offener auftreten als serbische Politiker, da seine Meinung in Montenegro mehrheitsfähig sei, in Serbien nicht. Ohne die Rückendeckung durch die politische Führung in Belgrad hätte auch er nicht handeln können.

Ob die Bevölkerung Serbiens die Friedenspolitik Marović mitträgt, wird sich bei den nächsten Wahlen erweisen. Am Wochenende soll ein neuer Präsident in Serbien gewählt werden, Beobachter zweifeln jedoch nach den Boykottaufrufen der aussichtsreichen Kandidaten Koštunica und Labus an einem Erfolg. Nach dem bisherigen Wahlgesetz müssen 50 Prozent der Wahlberechtigten zu den Urnen gehen. Für den 28. Dezember wurden in Serbien vorzeitige Parlamentswahlen angesetzt, die die wirkliche Stimmungslage im Land aufzeigen werden. ERICH RATHFELDER

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