Neue Volksinitiative startet mit Mängeln

Seit gestern sollte die direkte Demokratie im Land Nordrhein-Westfalen einfacher werden. Doch Bürgerrechtler und NRW-Liberale kritisieren weiterhin bestehende Hürden. Verein Mehr Demokratie: „Regelung ist noch nicht perfekt“

DÜSSELDORF taz ■ Gestern traten in NRW neue Regeln für die Volksinitiative in Kraft. Der nordrhein-westfälische Landtag hatte im Juli eine Reform dieses vor zwei Jahren eingeführten Demokratieinstruments beschlossen (taz berichtete). Danach dürfen in Zukunft die Unterschriften für eine Volksinitiative auf der Straße statt auf den Ämtern gesammelt werden. Auch ist der Landtag nach einer erfolgreichen Unterschriftensammlung zur Anhörung der Initiatoren verpflichtet.

„Die Volksinitiative ist auch mit der neuen Regelung noch nicht perfekt“, sagt Daniel Schily vom Verein Mehr Demokratie in Nordrhein-Westfalen. Die Initiative kritisiert, dass die Hürde von rund 65.000 Unterschriften weiterhin zu hoch sei. Angemessen sei vielmehr eine Zahl von 30.000 Unterschriften. Auch sei die Sammlungsfrist mit nur acht Wochen viel zu knapp bemessen. In anderen Bundesländern haben die Initiatoren einer Volksinitiative mindestens ein halbes Jahr Zeit zur Unterschriftensammlung, in einigen Bundesländern gibt es keinerlei zeitliche Begrenzung.

„Gerade im Vergleich zum Unterschriftenquorum für die Zulassung eines viel folgenreicheren Volksbegehrens ist die Hürde für Volksinitiative viel zu hoch“ , erklärt Schily, ein Neffe des Bundesinnenministers Otto Schily (SPD). Für die Zulassung eines Volksbegehrens reichen in NRW bereits 3.000 Unterschriften. Unsinnig findet Schily auch, dass die Initiatoren nach Ablehnung einer Volksinitiative durch den Landtag erneut Unterschriften sammeln müssen, um ein Volksbegehren anzustoßen. „Besser wäre es gewesen, die Volksinitiative dann als Zulassungsantrag zu werten“, so der Bürgerrechtler.

NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD) lobt die eigene Reform: „Damit machen wir es den Menschen noch einfacher, ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen.“ Zudem würden die Initiatoren auf Wunsch umfassend informiert. „Niemand soll an Formalien scheitern“, so Behrens.

Die FDP-Landtagsfraktion begrüßt die „vereinfachten Rahmenbedingungen“ für Volksinitiativen. „Endlich, nach viel zu langem Zaudern der Landesregierung, ist es für die Bürger nun einfacher, ihre demokratischen rechte wahrzunehmen“, sagt Robert Orth, stellvertretender Fraktionschef der Liberalen. Dagegen seien die Hürden bei Volksentscheiden und Volksbegehren immer noch zu hoch.

Per Volksinitiative können sich die Bürger des Landes mit einem Anliegen an den Düsseldorfer Landtag wenden. Das Parlament ist dann verpflichtet, sich damit zu befassen und die Initiatoren der Volksinitiative anzuhören. Aufgrund der hohen Hürden wurde die Volksinitiative seit ihrer Einführung nur selten genutzt. Lediglich der Volksinitiative „Jugend braucht Zukunft“ war in diesem Jahr mit einem enormen Mobilisierungsaufwand die Überwindung der hohen Amtshürde gelungen. Von November bis Januar hatten sich rund 175.000 Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Unterschrift gegen die Schließung von Jugendzentren ausgesprochen.

MARTIN TEIGELER