Moorhuhn vor Gericht

Nach Bilanzfälschungen müssen sich ehemalige Manager der Bochumer Moorhuhn-Firma Phenomedia vor Gericht verantworten

Der Chef soll fast fünf Millionen Euro in die eigene Tasche gesteckt haben

BOCHUM taz/dpa ■ Ein Bilanzskandal hatte die New-Economy-Firma Phenomedia mit ihrem populärem Moorhuhn-Computerspiel vor zweieinhalb Jahren fast zum Absturz und Aktionäre zur Weißglut gebracht. Von Dienstag an müssen sich sechs ehemalige Manager des Bochumer Spiele-Entwicklers vor Gericht verantworten. Auf 150 Seiten listet die Anklage Bilanzschwindel, Insiderhandel, Steuerhinterziehung und Erpressung auf. Der frühere Phenomedia- Chef Markus Scheer, zwei Finanzvorstände, Manager von Tochterfirmen und Scheers Ehefrau müssen nun auf der Angeklagebank Platz nehmen.

Der Betrug bei Phenomedia fing schon vor dem Börsenauftritt 1999 an. Den Ermittlern zufolge schönten die Manager, beflügelt vom Erfolg des Moorhuhns, noch schnell den Prospekt zum Börsengang. Dem Jagdfieber an Heim- und Büro-PC`s tat das keinen Abbruch. An den Schirmen wurde geballert, was das Zeug hält. Das Huhn, das ursprünglich für eine Whiskey-Werbung kreiert wurde, eroberte die Herzen von Millionen. Mancher Chef musste seine Spiel-begeisterten Angestellten gar vom Spielen abhalten.

Doch das Geschäft mit den Computerspielen lief für die Bochumer weit weniger erfolgreich, als es nach außen den Anschein hatte. Kaum mit riesigen Gewinnen an der Börse notiert – der Kurs schnellte von gut 20 auf 90 Euro – buchten die Manager millionenschwere Luftgeschäfte, um die Aktie auf Kurs zu halten. Ob der Bilanzschwindel durch den Wechsel eines Buchprüfers in den Phenomedia-Vorstand gedeckt wurde, zählt zu den Prüfaufgaben der 6. Wirtschaftsstrafkammer am Bochumer Landgericht.

Fünf der sechs Angeklagten wird Insiderhandel mit Phenomedia- Aktien vorgeworfen. Sie sollen dicke Aktienpakete vor dem Bekanntwerden des Betrugs im Frühjahr 2002 zu Bargeld gemacht haben. Allein der Chef soll fast fünf Millionen Euro eingesteckt haben.

Als 2002 der Schwindel aufflog, waren die Papiere bald nichts mehr wert. Das Moorhuhn ging an der Börse in den Sturzflug über. Aus 14 Euro wurden Centbeträge. Für Aktionäre ist heute wohl nichts mehr drin. Der Insolvenzverwalter hat noch alle Hände voll zu tun, um den Gläubigern zu einer vernünftigen Quote zu verhelfen. Sollten die Angeklagten nicht Millionen aus dem illegalen Insiderhandel zurück zahlen, wird es erst recht kein Geld für Altaktionäre geben. Parallen sehen die Ermittler zum Fall EM.TV, der mit der Verurteilung der Firmengründer Thomas und Florian Haffa seinen Höhepunkt erlebte.

Das Softwarehaus und das Moorhuhn sind inzwischen wieder im Steigflug. Insolvenzverwalter Wulf Gerd Joneleit hat das Kerngeschäft an ein deutsch-niederländisches Konsortium verkauft. Mit 40 von ehemals 100 Beschäftigten wird jetzt fleißig weiter produziert. Moorhuhn Wanted, Sven 004, Larry und 7 Zwerge, passend zum neuen „Otto“-Film, heißen die aktuellen Spiele, mit denen die neue phenomedia publishing GmbH schwarze Zahlen schreibt.