Wahlalternative wählt sich erst einmal selbst

Die linke Wahlalternative bestimmt ihren ersten Landesvorstand. Damit finden die monatelangen Querelen ein Ende

Ist da nicht ein feierlicher Ton? „Hiermit laden wir Sie zur Pressekonferenz des neuen Landesvorstands der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) ein“, heißt es in dem Einladungsschreiben, das Anfang der Woche versandt wurde. Die Liste der Unterzeichner: Lothar Nätebusch, Helge Meves und Martin Reeh. Damit stehen alle Protagonisten in einer Reihe – angesichts der bisherigen Querelen ein wahres Wunder.

Rechtzeitig zur ersten Landesmitgliederversammlung wollen sich die Streithähne heute den rund 420 Mitgliedern in friedvoller Eintracht zeigen. Das hat die neue Linkspartei auch nötig. Zum einen sind die Berliner im Vergleich zu den Verbänden der anderen Bundesländer mit ihrer Landesmitgliederversammlung spät dran – im November ist bereits das bundesweite Treffen geplant, auf dem die offizielle Parteigründung entschieden werden soll. Zum anderen haben es viele Berliner Mitglieder kaum für möglich gehalten, dass es noch zu einer Einigung kommt. Noch vor einer Woche schienen die Fronten verhärtet. Auf der einen Seite: die Gründer der Berliner Sektion um Martin Reeh, die den größten Teil der Basis hinter sich wussten. Auf der anderen Seite der vom Bundesvorstand provisorisch eingesetzte Landeskoordinator Lothar Nätebusch. Und mittendrin Helge Meves, der Mitglied im Bundesvorstand ist, in dem Streit aber hin und her eierte.

Den Sommer und Herbst über hat die WASG nicht mit Kritik an Hartz IV von sich reden gemacht, sondern war mit internen Querelen beschäftigt. Vordergründig ging es um die Frage, ob sich die Organisation auch landespolitisch engagieren und das Volksbegehren zur Abwahl des rot-roten-Senats unterstützen sollte. Der Bundesvorstand war dagegen mit dem Argument, man müsse alle Kräfte für die Bundestagswahlen bündeln. Weil die Mehrzahl der Berliner Mitglieder nicht gehorchen wollte, wurde Nätebusch als Landeskoordinator eingesetzt. Endgültig die Sympathien verspielte sich der 58-jährige Berliner Vorsitzende der IG BAU, der auch mal der DKP angehörte, als er gegen sechs Mitglieder ein Ausschlussverfahren beantragte. Diese Anträge hat Nätebusch inzwischen zurückgezogen.

Auch der Richtungsstreit scheint vom Tisch. Zum einen haben Verbände wie die WASG in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein Landespolitik ebenfalls längst zum Thema erkoren. Zum anderen glaubt auch der Bundesvorstand nicht mehr an einen Erfolg des Volksbegehrens. Ihr Bundesvorsitzender Klaus Ernst muss zwischenzeitlich befürchtet haben, das Volksbegehren zur Abwahl des rot-roten Senats könnte klappen, bereits im Februar würden in Berlin Neuwahlen stattfinden.

Auf der Versammlung heute könnte es trotz gütlicher Einigung dennoch spannend werden. Es wird nämlich nicht, wie vom Bundesvorstand ursprünglich gewünscht, eine Vorschlagsliste zur Wahl des Landesvorstands geben, sondern die Kandidaten werden sich einzeln zur Wahl stellen. Verabredet wurde zwar, dass im neunköpfigen Vorstand alle Strömungen vertreten sind. Ob sich die Mitglieder aber an die Absprache halten werden, bleibt unkalkulierbar.

Reeh zumindest will nicht kandidieren. Für einen Neubeginn sei es besser, wenn nicht die Gesichter auftauchen, die „drei Monate durch den Schmutz gezogen wurden“, findet Reeh. Anders hingegen Nätebusch. Der hatte angekündigt, dass er eine Kandidatur für den Vorstand nicht ausschließe. FELIX LEE