Treibstoff für die Ökoseele

Energie- und CO2-Bilanz sprechen für den Biodiesel. Es ist schwefelfrei, enthält kein Benzol, ist biologisch abbaubar und kein Gefahrgut. Rund 750.000 Tonnen wurden 2004 abgesetzt

VON WALTER DELABAR

Energiewende hin, Emissionshandel her – ungeklärt geblieben ist bislang die Treibstofffrage. Immerhin gehen fast 30 Prozent der Primärenergie in Deutschland in den Verkehr, mit steigender Tendenz. Knapp 300 Millionen Tonnen Kohlendioxid wurden allein durch den Verbrauch von Mineralölen in die Atmosphäre ausgestoßen, den Flugverkehr nicht eingerechnet.

Biodiesel ist die Lösung für die ökologischen Probleme – wenigstens auf den ersten Blick. Rund 750.000 Tonnen Biodiesel wurden im vergangenen Jahr abgesetzt, davon etwa 270.000 über Tankstellen. Das macht an den etwa 1.700 Biodiesel-Tankstellen deutschlandweit eine Steigerung um 100.000 Tonnen allein für das letzte Jahr. Biodiesel wird aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. Die Ressource ist also unerschöpflich. Biodiesel ist schwefelfrei, enthält kein Benzol, ist biologisch leicht abbaubar und kein Gefahrgut.

Die im äußersten Westen angesiedelten öffentlichen Kreiswerke Heinsberg beispielweise haben ihre gesamte Nahverkehrsflotte erfolgreich auf Biodiesel umgestellt. Kosten für eine Umrüstung der Wartungswerkstätten des Unternehmens, die beim Verbleib bei konventionellem Diesel hätten aufgewendet werden müssen, konnten vermieden werden: Immerhin waren das etwa 250.000 Euro für ein neues Abgasreinigungssystem. Damit aber nicht genug: Biodiesel reduziert nicht nur die Kohlenwasserstoffemission, es ist auch in Sachen Kohlendioxid klimaneutral. Ein (fast) geschlossener, sehr kurzer CO2-Kreislauf: Statt Jahrmillionen, wie beim Mineralöl, liegen nur bis zu einem Jahr zwischen Bindung von CO2 in der Pflanze und dessen Emission durch das Auto. Auch in Sachen Energieeffizienz ist Biodiesel nicht schlecht. Um ein Kilogramm Biodiesel herzustellen, muss nur ein knappes Drittel der Energie aufgewendet werden, die für die Erzeugung von einem Kilogramm Normaldiesel notwendig ist.

Selbst für den Motor hat Biodiesel sein Gutes. Da das Produkt von deutschen Äckern lösende Eigenschaften hat, werden Rußablagerungen ausgeschwemmt. Die Motoren halten länger, wie eine Langzeituntersuchung der Kreiswerke Heinsberg zeigte. Bei der Umstellung auf Biodieselbetrieb ist freilich auf taugliche Dichtungen zu achten. Einer der wichtigsten Gründe dafür, dass die Autoindustrie ihre Produkte nicht generell für Biodiesel freigibt, liegt in Dichtungsmaterialien, die durch RME aufgelöst werden. Aber das ist ein lösbares Problem.

An den Tankstellen liegt Biodiesel im Preis bundesweit durchschnittlich um 10 Cent unter dem Dieselpreis. Biodiesel wird nicht mit der Mineralölsteuer belegt. Das wird von höheren Produktionskosten freilich aufgefangen. Den steigenden Rohölpreisen sind auch die Biodieselpreise gefolgt. Gelegenheit macht Diebe – oder Märkte.

Der Preisvorteil an der Zapfsäule wird aber teilweise vom Mehrverbrauch im Motor zunichte gemacht. Das hängt offensichtlich vom Fahrverhalten und von den Bedingungen vor Ort ab. Die Busfahrer im flachen Heinsberger Land gehören anscheinend zu den defensiven Menschen hinterm Lenkrad. Denn das Unternehmen konnte auch über den Preisvorteil Kosten senken, musste es doch nur einen geringen Mehrverbrauch (3 bis 5 Prozent) für seine Fahrzeuge hinnehmen. Im Gebirge oder für Fahrer mit Bleifuß sieht das Ganze anders aus. Wer schnell fahren will, vermiest sich die positive Biodieselbilanz ein bisschen. Einen Mehrverbrauch von 10 Prozent verweist die Arbeitsgemeinschaft Qualitätsmanagement Biodiesel in Berlin aber ins Märchenreich.

So hängt denn letztlich die Ökologiefrage an anderen Themen: Genraps, dessen Regelanbau und Handel in Europa verboten ist, wird von Greenpeace mit harten Bandagen bekämpft. Mit gutem Grund. Raps, der unter anderem mit der profanen Kohlrübe verwandt ist, kreuzt sich nicht nur mit seinesgleichen oder mit den genetisch unveränderten Vertretern der Art, sondern auch mit allem, was ihm nur entfernt ähnlich ist. Und das in bis zu 2,5 Kilometer Entfernung. Ein kontrollierter Anbau von Genraps ist damit hinfällig. Denn die Folgen einer ungehinderten Aussiedlung von Genraps, auch für die menschliche Gesundheit, sind nicht vorhersehbar.

Damit ist der gesamte Komplex Individualverkehr, Lebensraum Stadt und Unfallrisiken allerdings noch ausgespart. Ein schwacher Trost ist dabei, dass die Zahl der tödlichen Unfälle seit Jahren rückläufig ist und 2003 auf den historischen Tiefstand von gut 6.600 sank. Biodiesel wird daran nichts ändern, auch nicht am Lebensstil der Industrieländer, für die der Individualverkehr unverzichtbar ist. Andererseits wird er das Versorgungsproblem nicht lösen. Biodiesel hat am Dieselmarkt einen Anteil von lediglich 7 Prozent. Die Europäische Union lässt mittlerweile sogar Beimischungen von 5 Prozent zum Normaldiesel zu. Einflussreicher werden andere Kraftstoffe und Fahrzeugkonzepte sein, an denen Mineralölwirtschaft und Autohersteller intensiv arbeiten.