Antifaschist auf zwei Kontinenten

Rudolf Weinmann kämpfte erst in Deutschland, dann in Argentinien ein Leben lang gegen Faschisten und Diktaturen

Auf die Frage, ob er Geheimnisse habe, antwortete Rudolf Weinmann: „Natürlich habe ich Geheimnisse.“ Etwa, was er mit dem Vervielfältigungsapparat gedruckt habe, wegen dem ihn die Nazis 1933 festnahmen. „Das hatte man damals eben so.“ Weinmann wirkte fast die Hälfte seines politischen Lebens im Untergrund. Zuerst im Kampf gegen die Nazis in Berlin, dann gegen die Nazis in Buenos Aires, schließlich gegen Argentiniens Militärregierungen.

Anfang der 30er-Jahre war Weinmann in Berlin Generalsekretär der Kommunistischen Jugend. Nach seiner Denunziation verschleppte ihn die SA im September 1933 in das Columbia-Haus. Dort wurde er vier Wochen lang inhaftiert und täglich gefoltert. Ein Soldat befahl ihm, den Oberkörper auf einen Tisch zu legen, dann prügelte er mit Gürtel und Metallschnalle auf Weinmanns Hintern ein. Der Soldat wollte wissen, wo der Vervielfältigungsapparat für die Parteiflugblätter war. Vor Schmerz wurde Weinmann ohnmächtig. Seine Mutter konnte ihn schließlich für mehr als 20.000 Reichsmark freikaufen.

Danach tauchte Weinmann unter, wechselte die Wohnungen und flüchtete nach Le Havre, wo er ein Schiff nach Buenos Aires bestieg. Er war ein junger Mann, der nicht wusste, in was für ein Land er reiste. Er wusste nur, dass er aus Europa rausmusste. Viele Menschen, die damals vor den Nazis flüchteten, reisten ins ihnen unbekannte Argentinien. Am 17. Oktober 1936 kam Weinmann in Buenos Aires an, bezog ein Zimmer in einer Pension der Constitución-Straße und fing bald als Dreher in einem Metallbetrieb an.

Als zwei Monate später dort eine Gewerkschaft gegründet wurde, kam Weinmann in Kontakt mit dem sozialistischen Verein Vorwärts, der von deutschen Emigranten in Buenos Aires gegründet worden war. Weinmann gründete zusammen mit anderen das antifaschistische Volksblatt. Bis fünf Uhr abends arbeitete er an der Werkbank, danach ging er zur Zeitung, setzte und redigierte, „fast immer die Nacht durch“, berichtete er.

Das Volksblatt informierte über Nazi-Spione, die Antifa-Gruppen infiltrieren wollten, sowie über den Kriegsverlauf. Auch gab es Anzeigen wie: „Deutsche Antifaschisten! Ihr esst am besten im Restaurant El Paraiso.“ Im Dezember 1943 verbot Argentiniens Präsident Romón Castillo auf Druck der deutschen Botschaft das Blatt. Fortan hieß es Der freie Deutsche und wurde illegal in Weinmanns Haus mit der Handpresse gedruckt.

Nach dem Ende des Faschismus in Deutschland blieb Weinmann in Argentinien. Er blieb im Vorwärts, machte Gewerkschaftsarbeit und engagierte sich für die diplomatische Anerkennung der DDR. Immer wieder musste er untertauchen und illegal weitermachen, wenn in Argentinien wieder Militärdiktaturen herrschten.

Wie seine Frau erst jetzt mitteilte, starb Weinmann am 7. Oktober in Buenos Aires nach langer Krankheit im Alter von 89 Jahren. INGO MALCHER