Viel Geld, aber wenige Konzepte

Projekte gegen Rechtsextremismus gibt es seit Schröders Antifa-Sommer 2000 viele. Nur – wirken sie auch?

Es war im Sommer 2000. Ausgerechnet ein Anschlag auf eine Düsseldorfer Synagoge, der nicht aufs Konto von Neonazis, sondern von Islamisten ging, war für Kanzler Schröder der Auslöser, zum „Aufstand der Anständigen“ aufzurufen. Seinen Worten folgten damals sogleich Taten. „Jugend für Toleranz und Demokratie“ nannte der Kanzler seine Kampagne und rief drei Förderprogramme ins Leben: „Entimon“, „Civitas“ und „Xenos“.

Die „Stärkung der demokratischen Kultur bei jungen Menschen“ hatten sich diese Programme zum Ziel gesetzt. Anders als bis Mitte der Neunzigerjahre setzen die Mitarbeiter nicht auf die direkte Auseinandersetzung mit Rechtsextremen, sondern auf allgemeine politische Bildung. Weg von den Tätern, hin zu den demokratischen Gegenkräften und den potenziellen Opfern rechtsextremer Gewalt, so das Motto. Zielgruppe sind nicht ideologisch bereits gefestigte Neonazis, sondern einzelne Berufsschüler, Lehrer und Pädagogen, die Multiplikatorenfunktion haben. Mit einem Volumen von rund 200 Millionen Euro wurden seitdem mehr als 3.600 Projekte gefördert.

Vier Jahre später zieht die NPD mit 9 Prozent in den Sächsischen Landtag. Zulauf erleben auch die militanten Kameradschaften. Und im Osten gibt es Orte, wo die rechte Szene nicht nur dominiert, sondern die einzige Jugendkultur darstellt. Da stellt sich die Frage, was die Programme gegen rechts seitdem bewirken konnten.

„Immerhin ist Rechtsextremismus überhaupt ein Thema“, bilanziert der Marburger Erziehungswissenschaftler Benno Hafeneger. Von einem „Stachel in der Gesellschaft“ spricht er, wenn er die Arbeit der hartnäckigen Mitarbeiter dieser Projekte beschreibt. Fristeten viele von ihnen bis dahin ein marginalisiertes und mit Argwohn betrachtetes Dasein, werde ihre Arbeit immerhin respektiert, sagt Hafeneger, und das sei ein Erfolg.

Doch die Kritik lässt nicht lange auf sich warten. Von „Symbolpolitik“ spricht er. Die derzeitige Politik sei auf einen engen Zeithorizont ausgerichtet, der zugleich schnell vorzeigbare Ergebnisse fordere. Um an Einstellungsänderungen gerade unter Jugendlichen zu arbeiten, bedarf es jedoch langer Anschubphasen, um überhaupt wahrgenommen zu werden, so Hafeneger.

Ein weiteres Problem sieht er im Fehlen einer zuverlässigen Bewertung dieser Arbeit. Hafeneger glaubt, dass die Bundesregierung gar nicht das Interesse hat, die Projekte wissenschaftlich auszuwerten. Denn dann würde herauskommen, wie konzeptionslos die Fördergelder vergeben werden. Kleine Verbände, die nicht über professionelle Antragsverfasser verfügen, sind gegenüber großen Organisationen meist im Nachteil, gerade wenn Gelder kurzfristig ausgeschrieben werden. In der Tat ist es gerade Gewerkschaften gelungen, Mittel für Stellen zu akquirieren, die dann zum Teil für ganz andere Aufgaben eingesetzt wurden.

Vor allem kritisiert Hafeneger aber, dass sich die Länder und Kommunen bis auf wenige Ausnahmen ganz aus der Unterstützung dieser Projekte herausgehalten haben. Sozial-, Kultur- und Bildungspolitik seien Sache der Länder und Kommunen. Stattdessen werde im Bereich der politischen Bildung weiter gekürzt, wie zum Beispiel in Sachsen-Anhalt bei Projekten wie „Miteinander e. V.“ oder in Niedersachsen, wo erst jüngst die Landeszentrale für politische Bildung ganz geschlossen wurde.

Nach dem Wahlschock in Sachsen hat die Bundesregierung zunächst einmal ihr Vorhaben gestoppt, ihre Förderprogramme bis 2006 auslaufen zu lassen. Dies ändere aber nichts daran, so Hafeneger, dass es auch weiterhin an auf „Dauer und Verstetigung ausgelegten Konzepten fehlt“. FELIX LEE