Kandidaten auf der Abschussliste

BERLIN taz ■ Der künftige EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso will nach der verlorenen Machtprobe mit dem EU-Parlament sein Team umbilden. Neben Rocco Buttiglione, dem konservativen Italiener, droht noch einigen weiteren Kommissionskandidaten das Aus.

Auf der Abschussliste steht die Lettin Ingrida Udre ganz oben. Sie sollte das Amt der EU-Kommissarin für Steuern und Zollunion besetzen. Weil ihr Name öfter in Zusammenhang mit Finanzskandalen und illegaler Parteienfinanzierung genannt wurde, stieß die Exwirtschaftsministerin im EU-Parlament auf heftigen Widerstand. Auf Fragen wich sie aus. Jetzt ist auch noch die lettische Regierung unter der Führung von Udres Partei, den konservativ angehauchten Grünen, zurückgetreten. Die lettische Presse geht davon aus, dass ein neues Kabinett einen Kandidaten aus dem eigenen politischen Lager nach Brüssel schicken wird.

Am Stuhl der Niederländerin Neelie Kroes, die das wichtige Amt der Wettbewerbskommissarin antreten sollte, wird ebenfalls heftig gesägt. Die von den Rechtsliberalen (VVD) nominierte Exverkehrsministerin kann aber noch mit Unterstützung der niederländischen Regierung und selbst der sozialdemokratischen Opposition rechnen. In Brüssel jedoch wird an ihrer Unabhängigkeit gezweifelt, weil sie insgesamt 81 Vorstands- und Beraterposten bekleidet hat und damit als zu wirtschaftsnah gilt.

Auch eine zweite Frau muss sich Sorgen um ihren künftigen Posten in Brüssel machen: die dänische Exlandwirtschaftsministerin Mariann Fischer Boel. Ihr Mann besitzt große Bauerngüter in Dänemark, die mit EU-Geldern subventioniert werden. Ein Interessenkonflikt ist laut Kritikern hier programmiert. Ihr Parteifreund, der dänische Premier Anders Fogh Rasmussen, hält jedoch weiter an Fischer Boel fest. Er bestand noch gestern in Rom darauf, dass sie weiter wie vorgesehen Agrarkommissarin werden soll.

Der Ungar László Kovács steht nicht so sehr im Verdacht mangelnder Integrität als vielmehr der Inkompetenz. Er soll als EU-Kommissar den Energiesektor betreuen. Der frühere Vorstand von Ungarns Sozialisten geht jedoch davon aus, weiter ins Rennen geschickt zu werden, um sich mit Fleiß und Geduld die nötige Erfahrung anzueignen. Es ist jedoch möglich, dass sich Ferenc Gyurcsany, der neue Spitzenmann der Linksregierung in Budapest, doch noch für einen anderen Vertreter in Brüssel entscheidet.

Schließlich wackelt auch der Grieche Stavros Dimas. Die Europäischen Grünen halten ihn schlichtweg für eine Fehlbesetzung im Amt des EU-Umweltkommissars. Er gilt als Mann der Industrie, ohne Sensibilität für ökologische Probleme. Allerdings wird die in Athen regierende konservative Nea Dimokratia kaum von ihrem Kandidaten abrücken, der sich in den verschiedensten Ämtern und Mandaten um seine Partei verdient gemacht hat. Der Posten des Umweltministers war allerdings nicht darunter. OLIVER POHLISCH