Zuflucht versilbern

Demonstration gegen Schließung des 1. Hamburger Frauenhauses. Senatorin bleibt dennoch hart

Heute ist Stichtag: Die Mitarbeiterinnen des 1. Hamburger Frauenhauses sollen das Gebäude im Hamburger Westen nach 24 Jahren fein säubern, damit es besenrein der stadtstaatlichen Sprinkenhof AG übergeben werden kann. Die möchte es im Auftrag des Senats offenbar für drei Millionen Euro Schätzwert versilbern. Trotz 24.000 Unterschriften und dem Protest von über 500 JuristInnen soll die Fluchtstätte für misshandelte Frauen und ihre Kinder geschlossen werden. Mehrere hundert Frauen und Männer demonstrierten deshalb am Samstag in der Innenstadt: „Gewalt gegen Frauen ist aktuell – Frauenhäuser schließen kriminell“, skandierten vorneweg die Cheerleaders „Pink Silver“. Das Haus mit seinen offiziell 44 Plätzen ist durchgehend zu über 100 Prozent ausgelastet.

Die faktische Schließung sei „gar nicht möglich, wir mussten noch im Oktober Frauen aufnehmen“, klingt es aus Kreisen des Frauenhauses. Zudem muss der Zuwendungsbescheid der Behörde für Soziales gerade eine gerichtliche Prüfung vor dem Verwaltungsgericht überstehen. Das 1. Hamburger Frauenhaus hat gegen die Schließung eine Einstweilige Verfügung eingereicht, über die noch nicht entschieden wurde.

Die Betreuerinnen gehen davon aus, dass Hamburg eine Vorreiterfunktion in Sachen Abbau von Frauenrechten übernommen hat. „Es soll vermutlich bundesweit das Verbot der Aufnahme von Migrantinnen mit ungeklärtem Status durchgesetzt werden“, sagt die Juristin Mechthild Garweg, Vorstand von „Frauen Helfen Frauen“: „Dann gibt es faktisch keinen Schutz mehr.“ Denn die Aufnahmestellen, zu denen die Frauen und ihre Kinder gelotst werden, seien bekannt, so dass es Männern nicht allzu schwer falle, Frauen und Kinder aufzustöbern. Und auch die Anonymität der deutschen Frauen sei in Frage gestellt. So müssten die Mitarbeiterinnen zumindest die ersten beiden Buchstaben des Namens und Vornamens der schutzbedürftigen Frauen an die Behörde melden. Garweg: „Die Anonymität ist nicht sofort aufgehoben, aber jederzeit von der Behörde aufzuheben.“

Das 1. Hamburger Frauenhaus war die zweite bundesweite Einrichtung dieser Art in der Bundesrepublik und hatte aufgrund ihres autonomen Charakters zunächst Misstrauen unter den Behörden ausgelöst. Die emanzipatorische Frauenbewegung der 70er Jahre hatte eine Legalisierung durchsetzen können. Seit 24 Jahren ist das Haus an einem geheimen Ort nun Bestandteil des Schutzes für Frauen, „und sie fanden dort eine Möglichkeit, mit anderen Frauen eine Perspektive aufzubauen“, sagt Elke Penner von „pro femme“ auf der Kundgebung. Und auch Eva Mack vom Frauenhaus Kassel erinnert an die Realität: „Rechtlich sind Frauen immer weniger benachteiligt. Praktisch aber immer mehr – wir befinden uns wieder in den 70er Jahren.“

Frauensenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) hatte die Senkung der Zufluchtsplätze von 208 auf 164 am Vortag noch einmal vor dem Sozialausschuss der Bürgerschaft gegen die massive Kritik von SPD und GAL verteidigt. Im Städtevergleich stünde Hamburg nach der Schließung „gleichauf mit Berlin und Wien und deutlich besser da als Köln, Düsseldorf und Dresden“.

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