Die unzufriedenen Gewinner

Die Hertha kann doch siegen: 3:1 in Freiburg. Zufrieden sind die Berliner dennoch nicht. Weil der Schiedsrichter den Falschen vom Platz stellte. Und weil der Sturm mal wieder zu viele Chancen versiebte – Marcelinho zum Beispiel einen Elfmeter

AUS FREIBURG MALTE OBERSCHELP

„Wie haben Sie die rote Karte gesehen, Herr Götz?“ „Sehr genau“, sagte Falko Götz. Die Antwort des Berliner Trainers war jener fast schon slapstickhaften Szene angemessen, die beim 3:1-Sieg seiner Mannschaft in Freiburg den Schlusspunkt einer turbulenten Partie abgab. Es lief bereits die 80. Minute, als Hertha-Verteidiger Dick van Burik direkt vor der Berliner Bank SC-Stürmer Régis Dorn anrempelte. Schiedsrichter Wolfgang Stark stellte daraufhin nach einem ausführlichen Plädoyer des vierten Manns van Buriks Abwehrkollegen Alexander Madlung vom Platz, nur weil der sich zur Tatzeit zufällig in der Nähe befunden hatte.

„Ich kann dazu nichts sagen“, meinte der unschuldige Rotsünder, nachdem er zunächst Taten sprechen ließ und vor Ärger eine Tür im Freiburger Kabinentrakt eintrat. „Wenn was passiert ist, ist es hinter meinem Rücken passiert.“ Viel mehr als Madlung gesehen hatte auch Andreas Neuendorf von der Bank aus nicht, aber immerhin etwas gehört: „Eine Schelle“ habe van Burik laut Schiedsrichter ausgeteilt. Wofür zwar die Theatralik sprach, mit der Dorn zu Boden ging, nicht aber die Fernsehbilder oder Augenzeuge Falko Götz. „Selbst wenn es den richtigen Spieler trifft, ist es fraglich, ob das überhaupt eine rote Karte war“, sagte er aus.

Bei einem anderen Spielstand als 3:1 für die Hertha wäre der Trainer mit dem Schiedsrichter vermutlich härter ins Gericht gegangen. So wie Freiburgs Sascha Riether. Der 21-jährige Mittelfeldmann analysiert Fußballspiele gewöhnlich mit der diplomatischen Sachlichkeit eines alten Trainerfuchses. Am Samstag war er außer sich und ließ sich zu Sätzen wie „Wenn man so beschissen wird, geht es nicht“ oder „Wahnsinn, was der gepfiffen hat“ hinreißen.

Riethers Erregung hatte mehrere Ursachen. Beim 2:1 der Berliner, das Gilberto nach Toren von Ellery Cairo (25.) und Nando Rafael (36.) fünf Minuten nach der Pause erzielt hatte, monierten alle Freiburger ein angebliches Abseits. Ein anderes Mal kam Riether im Strafraum zu Fall, aber Elfmeter pfiff Stark für die Hertha, als Schumann in der 60. Minute Gilberto an der Strafraumgrenze touchierte. „Das war nicht ganz im Sechzehner“, meinte SC-Trainer Volker Finke. Dass er dabei bescheidene „fünf oder zehn Zentimeter“ ins Feld führen wollte, machte seinen Fall jedoch nicht gerade stark.

Paradoxerweise war dieser Strafstoß die einzige Situation, in der die verdiente Führung der Hertha noch hätte kippen können. Als Marcelinho nicht schlecht ausführte, aber SC-Keeper Richard Golz den Ball über die Latte boxte, bekamen die stark ersatzgeschwächten Hausherren die zweite Luft. Das Aufbäumen dauerte allerdings nur kurz. Drei Minuten nach dem verschossenen Elfmeter beförderte Arne Friedrich vor den Augen seines nationalen Co-Trainers Joachim Löw einen Ball ins Tor, den Madlung vorher an die Latte geköpft hatte.

Abgesehen von ihrem Anteil an der Schiedsrichter-Schelte haderten die Berliner höchstens mit sich selbst. „Wir hätten mehr als drei Tore schießen müssen“, sagte Friedrich, „die Freiburger waren am Ende doch vogelwild“. Manager Dieter Hoeneß hatte in den ersten 25 Minuten seine Bedenken. „Es ist gekommen wie zuletzt“, sagte er. „Wir haben die Chancen, die anderen machen das Tor.“ Tatsächlich hatte, bevor Freiburg überraschend in Führung ging, bereits die gesamte Offensivabteilung der Hertha beste Gelegenheiten ausgelassen.

„Bei zehn hundertprozentigen Chancen kann man nicht sagen, dass wir schlecht gespielt haben“, befand van Burik. Sein Vorgesetzter mahnte bei aller Zufriedenheit über den Sieg nichtsdestotrotz mangelnde Effizienz an. „Wenn der Abschluss besser wäre, würden wir in der Tabelle woanders stehen“, meinte Hoeneß, der die bisher verschenkten Punkte auf 8 bis 10 schätzt. „Heute haben wir den Sack zum Glück zugemacht“, sagte der Hertha-Manager. Aber er weiß auch, dass sein Team auf eine ähnlich konfuse Abwehr wie die des SC Freiburg an diesem Tag so bald nicht wieder stoßen wird: Der nächste Gegner heißt Werder Bremen.