So viel Vertrauen muss sein

Hansjürgen Garstka ist seit 25 Jahren Datenschützer. Als er anfing, gab es noch keine Handys, dafür einen Volkszählungsboykott. Mittlerweile, sagt er, ist der Datenschutz individueller geworden

VON UWE RADA

Um es gleich zu verraten: Hansjürgen Garstka hat ein Handy. Er hat sogar zwei, eines für den Dienstgebrauch und eines für zu Hause. Damit verdoppelt sich – statistisch gesehen – ein möglicher Fahndungserfolg der Polizei, sollte Berlins oberster Datenschützer einmal etwas ausgefressen haben. Per SMS-Fahndung nämlich kann der Standort eines Verdächtigen ausfindig gemacht werden. Hansjürgen Garstka findet das problematisch. Berlins Innensenator dagegen nicht.

Dass der 57-jährige Garstka seine Handys nicht in die Tonne tritt, liegt aber nicht nur daran, dass er ein durch und durch unbescholtener Bürger ist. Garstka geht auch mit der Zeit. „Viele Kollegen meinen, man könne neue Technologien verhindern“, sagt er. „Ich meine, man muss sie gestalten.“

Das gilt auch für den Datenschutz, in dessen Dienst Garstka seit einem Vierteljahrhundert steht. Als das Amt des Berliner Datenschutzbeauftragten heute vor 25 Jahren geschaffen wurde, trat Garstka als stellvertretender Leiter an. Seit 15 Jahren ist er nun der Chef der Behörde. Und er hat sich einen für dieses Amt erstaunlichen Optimismus bewahrt. „Wir sind mit dem Datenschutz weiter als vor 25 Jahren“, freut er sich und verweist auf die Gesundheitskarte, die im kommenden Jahr eingeführt werden soll. „Früher hätte man da ungeniert auf Patientendaten zurückgegriffen. Heute steht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Mittelpunkt.“

Vielleicht liegt es an diesem Optimismus, dass Garstka Begriffe wie „gläserner Mensch“ oder Fragen nach George Orwell nicht so gern mag. Aber auch ein Optimist kann mitunter Sorgenfalten bekommen. Was Garstka derzeit Probleme bereitet, ist die Radio Frequency Identification, eine Technik, bei der sich Strichcodes an Waren per Radioübertragung überall und jederzeit identifizieren lassen. „Im schlimmsten Falle können damit Bewegungsprofile von Menschen erstellt werden“, meint Garstka. Seine Forderung lautet nun: „Zumindest ein heimliches Lesen solcher Daten muss verhindert werden.“

Dass einer wie Hansjürgen Garstka mit der Zeit geht, bedeutet nicht, dass er sich nicht gerne ans Steinzeitalter des Datenschutzes erinnert. „Als wir damals angefangen haben, gab es noch keine Handys, keine Computernetzwerke, nichts von dem, was heute den Datenschutz bestimmt.“ Dennoch war die Angst vor dem Missbrauch von Daten besonders groß, etwa beim Berliner Volkszählungsboykott 1987. Und gab es nicht an diversen Universitäten so genannte Anti-Kabel-Gruppen, deren gemeinsames Ziel das Verhindern neuer Technologien und der Vernetzung war?

Dass die Leute nicht mehr für den Datenschutz auf die Straße gehen, ist für Garstka aber kein Zeichen eines nachlassenden Problembewusstseins. „Es gibt eher einen Wandel vom politischen hin zum individuellen Datenschutz“, sagt er. „Dazu gehört vor allem die Sicherheit etwa beim Bezahlen mit der Kreditkarte.“

Wie man es auch dreht und wendet, Hansjürgen Garstka ist immer irgendwie zufrieden. Selbst den großen Lauschangriff, seine größte Niederlage, wie er immerhin einräumt, hat er verkraftet. Schließlich gibt es da ja auch die Erfolge. Dazu gehört auch das Informationsfreiheitsgesetz, dass es jedem Berliner laubt, Einblick in seine Daten zu bekommen. Dass das mehr von den Berliner Grünen als seinem Amt durchgeboxt wurde, stört Garstka nicht. Es geht ja nicht um ihn selbst, sondern um die Sache.

Ginge es um ihn selbst, wäre er vielleicht nicht mehr so sicher. Manchmal, räumt Hansjürgen Garstka ein, habe er auch Probleme mit der Motivation. Ob er nächstes Jahr noch einmal antritt, will er deshalb offen lassen. „Vielleicht gehe ich ja wieder zurück an die Universität“, sagt er. Es wäre in der Tat ein Zurück. An der Universität Regensburg hat er schon 1971 an einem Gutachten mitgearbeitet, dass die neuen Herausforderungen für das Datenschutzrecht benennen sollte.

Übrigens: Hansjürgen Garstka hat nicht nur zwei Handys, sondern auch einen Computer. Und manchmal kommt es vor, dass er auch eine Bahnfahrt oder einen Flug per Internet bucht. So viel Vertrauen muss sein.