Der Nacht folgt der Tag

Horst Köppel, der neue Interimstrainer bei Borussia Mönchengladbach, kitzelt ungekannte Leidenschaft aus seinem Team heraus, schlägt die Münchner Bayern 2:0 und hat Lust auf mehr

AUS MÖNCHENGLADBACHDANIEL THEWELEIT

Das geflügelte Wort von den „Gesetzmäßigkeiten des Fußballs“ ist arg strapaziert worden in der vergangenen Woche. Trainerentlassungen und ihre kurz-, lang- und mittelfristigen Folgen wurden erörtert, und man hat ausgiebig über die Mysterien positiver und negativer Serien diskutiert. Am Samstag führten dann die Herren von Bayern München ein Stück auf, das mittlerweile auch als Gesetzmäßigkeit gelten kann. Nach dem Schuldigen für Niederlagen wird erstmal außerhalb der eigenen Reihen gefahndet, und nach dem 0:2 in Mönchengladbach war dieser leicht zu finden. Das Schiedsrichtergespann um Knut Kircher hatte Lucio vom Platz gestellt. „Tätlichkeit“, beharrte Kircher auch nach Studium der Fernsehbilder, „ein absoluter Witz“, meinte Karl-Heinz Rummenigge, und Uli Hoeneß schrie mit rötlich-bleich pulsierenden Wangen: „Das ist ja der Hammer des Jahres, das war ja gar nichts.“

Der Standpunkt der Bayern war nachvollziehbar, die Entscheidung der Schiedsrichter hart, wenn nicht gar falsch, aber es war nicht angemessen, dass sie nach dem Abpfiff alle Diskussionen beherrschte. Denn Schuld an der Niederlage waren sie natürlich selbst, mit ihrem Rationalistenfußball, den Trainer Felix Magath für diesen Nachmittag angeordnet hatte. „Es war klar, dass die hier voller Leidenschaft anrennen, wir wollten warten, bis sie sich ausgetobt haben und dann den Druck erhöhen“, erklärte Magath die fehlgeschlagene Taktik.

Ein wenig eigene Leidenschaft wäre vermutlich besser gewesen – für das Ergebnis und für die Zuschauer, aber offenbar ist Leidenschaft unter Fußballern ein wertvolles Gut, das es nicht zu verschwenden gilt. So jedenfalls kamen die Bayern in neunzig Minuten nur zu einer einzigen mickrigen Torchance durch Michael Ballack, wobei der Sturm völlig unsichtbar blieb – Roy Makaay hat mit fünf torlosen Bundesligaspielen in Folge einen neuen persönlichen Rekord aufgestellt.

Aber wahrscheinlich hätte auch ein hingebungsvoller Auftritt der Münchner nicht viel genutzt an diesem Nachmittag, denn es gibt ja noch die erwähnten Mechanismen der Branche. Mönchengladbach spielte unter Horst Köppel, einem neuen Trainer. „Es ist leider oft so, dass nach einem Trainerwechsel eine neue Mannschaft auf dem Platz steht“, sagte der 56-Jährige, „im Vergleich zu den letzten Spielen war das ein Unterschied wie Tag und Nacht.“

Köppel, der Trainer von Mönchengladbachs Amateuren, hatte großen Spaß gehabt als vorübergehender Chefcoach in der Bundesliga. Zuletzt durfte er dieses Gefühl 1992 auf der Bank von Fortuna Düsseldorf auskosten, seither arbeitete er in unteren Klassen und in Japan. Jetzt aber hat er wieder genascht von der Süße der schillernden Bundesligashow und sagte: „Die Verantwortlichen können sich noch etwas Zeit lassen bei ihrer Suche nach dem neuen Trainer, wenn es drei, vier Wochen oder ein halbes Jahr dauert, habe ich auch nichts dagegen.“ Der Trainerfindung kommt das entgegen. Die beiden Favoriten der Klubführung, Ottmar Hitzfeld und Rudi Völler haben verkündet, noch bis Ende des Jahres pausieren zu wollen, das könnten sie mit der Lösung Köppel. „Wenn er Erfolg hat, stoppen wir ihn nicht“, sagte Präsident Rolf Königs, der „richtig Geld in die Hand nehmen“ möchte bei der Verpflichtung des neuen Cheftrainers.

Die Spieler haben offensichtlich auch nichts gegen eine längere Zusammenarbeit mit Köppel, sie waren voll des Lobes für ihren Übungsleiter. „Er hat klargestellt, was auf dem Spiel steht, das hat Holger Fach zuletzt nicht mehr geschafft“, sagte der hervorragende Marcelo Pletsch, der das 1:0 erzielt hatte (49.), und Kapitän Christian Ziege ergänzte: „Der Trainer hat sehr viel mit uns geredet, er war sehr ruhig und hat großen Anteil an diesem Sieg.“ Nur Thomas Broich, schon immer ein eher nachdenklicher Typ, der zudem nicht zur Anfangsformation gehörte, zeigte sich skeptisch. „Seit ich hier spiele, hatten wir schon fünf oder sechs Initialzündungen“, sagte der im Januar aus Burghausen verpflichtete Mittelfeldspieler, „wir haben aber noch keine zwei Spiele hintereinander gewonnen.“

Da wäre es gar nicht schlecht, wenn der neue Trainer schon am kommenden Samstag auf der Bank säße, dann könnte man auch diesen Makel mit einem gerne angewandten Naturgesetz der Fußballs bekämpfen: mit einem Trainerwechsel.

Borussia Mönchengladbach: Kampa - Korzynietz, Pletsch, van Kerckhoven, Ziege - Ulich, Gaede, Heinz (67. Broich), Kluge (78. van Hout) - Neuville, Sverkos (85. Schlaudraff)Bayern München: Kahn - Görlitz (68. Frings), Kovac, Lucio, Rau (58. Linke) - Sagnol, Hargreaves, Ballack, Ze Roberto (46. Schweinsteiger) - Makaay, PizarroZuschauer: 53.466; Tore: 1:0 Pletsch (49.), 2:0 van Hout (84.)Rote Karte: Lucio (55./Foul gegen den Ball)