Allein uns fehlt der Glaube

Auf Einladung der Friedrich-Naumann-Stiftung wurde darüber geredet, ob das viele TV-Gerede schuld ist an der Politikverdrossenheit – und warum Talks wie „Christiansen“ nicht zur Unterhaltung taugen

VON MICHAEL LÜNSTROTH

Vielleicht lag es daran, dass es eine Veranstaltung der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung war, dass so viel Cordstoff aufgetragen wurde. Gedeckte beige- und erdfarbene Töne beherrschten das Farbspektrum bei der dritten Medienakademie der Stiftung in Potsdam. Dabei war das Thema wenig erdverbunden: Es ging mal wieder um die Qualitätsdebatte im Journalismus und die Frage, wer denn nun eigentlich schuld ist an der seit Jahren diagnostizierten Politikverdrossenheit der Bürger: die Medien oder die Politiker?

Eine alte Frage, auf die es bei der Potsdamer Tagung keine neuen Antworten gab. Politiker und Medienschaffende waren sich schnell einig, dass jede Seite ihr Übriges dazu tut. In dieser harmonischen „Geteilte Schuld ist halbe Schuld“-Haltung lässt es sich ja auch sehr bequem machen. Indem sowohl Politiker als auch Journalisten Zugeständnisse machen, muss niemand wirklich etwas ändern.

Die Suche nach dem Haken

Wer so argumentiert, verkennt das wahre Problem: Der Kern der Politikverdrossenheit liegt in dem ständigen unterschwelligen Misstrauen der Menschen gegenüber ihren gewählten Vertretern. Die Leute glauben den Botschaften der Politiker einfach nicht mehr.

Vor allem dann, wenn Argumente in einer Sendung wie „Sabine Christiansen“ erläutert werden. Denn dort gehen viele Repräsentanten der politischen Kaste hin, um sich zu profilieren und von ihrer besten Seite zu zeigen. Das ist legitim. Nur hat das dazu geführt, dass die Menschen vor dem Bildschirm sich fragen: „Wo ist der Haken?“ Und: „Was kann ich davon eigentlich wirklich glauben?“

Vor allem die parteitaktischen Winkelzüge der Politiker haben zur Folge, dass viele Statements von vornherein mit dem Stigma der Lüge versehen werden. Insofern wäre es falsch, den Medien die Schuld zuzuschieben. In erster Linie ist dies ein Glaubwürdigkeitsproblem der Politiker: „Wer sich zu häufig in solchen Sendungen zeigt, dem wird das eher nicht positiv ausgelegt“, meint der Frankfurter Kommunikationswissenschaftler und Medienberater Ulrich Schneider. Er rät Politikern, nur dann aufzutreten, wenn sie wirklich etwas zu sagen haben.

Wenn man diesen Maßstab anlegt, dann hat Dirk Niebel, Praline-Autor und arbeitsmarktpolitischer Sprecher der FDP, alles falsch gemacht. Weil er sich rund um die Uhr sämtlichen Medien aufdrängt: ganz gleich, ob er was zu sagen hat oder nicht. Selbst die Parteikollegen spötteln über den Praline-Dirk, wenn er zur wöchentlichen Fraktionssitzung wieder mal seine neuesten Medien-Coups präsentiert. „Der braucht das mediale Scheinwerferlicht wie andere ihr tägliches Brot“, heißt es dann. Wenn man den Medien etwas vorwerfen kann, dann, dass sie solchen Figuren eine Plattform bieten.

Politik als Unterhaltung

Aber nicht nur Politiker haben mit der Glaubwürdigkeitslücke zu kämpfen. Die schlägt auch auf die Medienbranche zurück. Dadurch, dass die Menschen die Informationen aus Talkshows nicht mehr ernst nehmen, wird ein Format wie „Sabine Christiansen“ entzaubert: Entblößt steht es da als das, was es ist: eine Unterhaltungsshow.

Eine Show, in der Meinungen in einen Wettkampf treten, ohne dass es einen Sieger geben könnte – zumal sich die Kontrahenten nie gegenseitig überzeugen. Das Ergebnis: 60 Minuten heiße Luft.

Apropos Langeweile: Die Gästeauswahl der ARD-Sendung folgt natürlich bestimmten Mindestanforderungen: „Unser Gast sollte sich ausdrücken können, er oder sie soll streiten können, eine Meinung haben und die auch vertreten“, beschreibt Wolfgang Klein, Chefredakteur bei „Christiansen“, das Profil des perfekten Talkshow-Gastes. Eine anschauliche, am besten mit Beispielen illustrierte Darstellung seiner Standpunkte wünscht sich Klein –und ansonsten soll ein Gast „auch mal die Klappe halten“ können.

Das sind harte Kriterien, die nicht viele Zeitgenossen erfüllen können. Nur deshalb sitzen immer die gleichen grauen Gesichter auf den Stühlen des ARD-Talks. Daraus lassen sich zwei mögliche Schlussfolgerungen ableiten: Entweder ist die „Christiansen“-Redaktion nicht sehr kreativ in der Gästerecherche oder es gibt einfach zu wenige Politiker, die ein paar Sätze fehlerfrei geradeaus sagen können. Wenn beides aufeinander trifft, dann kommt wahrscheinlich das heraus, was sich jeden Sonntagabend bestaunen lässt.

Spricht man Wolfgang Klein auf die übersichtliche Besetzungsliste der Show an, dann wird er schnell sauer: „Mann, wann kapieren Sie es endlich: Der Eichel war schon seit über einem Jahr nicht mehr bei uns!“

Die Frage wird ihm wohl häufiger gestellt.

Was ja nun auch nicht so verwunderlich ist: Gestern diskutierten übrigens unter anderem Rudolf Scharping, Wolfgang Schäuble und Peter Scholl-Latour mit Frau Christiansen.