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: Arme, kleine Portugiesinnen

Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft überrennt ihren Gegner mit 13:0 und macht der ARD Probleme

Der Stadionsprecher in Reutlingen hatte einige Mühe mit dem femininen Fußball-Vokabular: „Tor durch die KäptIn Birgit Prinz“, schrie der Mann, als die deutsche Weltmeisterin ihr erstes von vier Toren beim 13:0 in der EM-Qualifikation gegen Portugal schoss. Später machte er aus der „KaptIn“ wieder den „Kapitän Prinz“ . Richtig wäre wahrscheinlich „Kapitänin“ oder „Mannschaftsführerin“ oder „Teamleiterin“.

Probleme hatte die ARD, deren Grafik offenbar männerfußballbedingt nicht auf zweistellige Resultate ausgelegt ist. „Jungs, passt auf, dass euch die Zahl nicht rausrutscht“, gab ein aufgeregter Fernsehmann an seine Kollegen durch, als Deutschlands Frauen schon nach 77 Minuten 10:0 gegen die armen Portugiesinnen führten. 5,98 Millionen Zuschauer sahen den höchsten Sieg der deutschen Frauen in ihrer Länderspielgeschichte.

Im Grunde war das Spiel gegen Portugal eine sehr ungerechte Angelegenheit. Denn es war so, als ließe man die erste Mannschaft von Bayern München gegen die eigene C-Jugend antreten. Die Portugiesinnen waren allesamt viel kleiner und weniger athletisch als die stattlichen, durchtrainierten deutschen Fußballerinnen. Torjägerin Prinz durchbrach die Abwehr immer wieder mit der Gewalt, die ein Elefant bei einer seiner berühmten Visiten im Porzellanladen entfaltet. Deutschlands Torfrau Nadine Angerer hatte in der 74. Minute ihren ersten von drei Ballkontakten. Den ersten Schuss gab Portugal, freundlich bejubelt von den 14.500 Zuschauern in Reutlingen, drei Minuten vor Spielende ab.

Als es vorbei war, rannte Portugals ungefähr 165 Zentimeter große Torfrau Carla Cristina heulend vom Platz. „Verständlich“, meinte ihr Trainer Nuno Cristovao und berichtete, mit welchen Widrigkeiten die Portugiesinnen in ihrer Heimat kämpfen. „Man lässt uns nur spät abends auf Aschenplätzen trainieren, und das auch nur zwei- bis dreimal in der Woche.“ Nur 1.300 aktive Fußballerinnen gibt es in Portugal, in Deutschland sind es mehr als 800.000. „Ein solches 0:13 ist eine Katastrophe für uns. Es liefert den Offiziellen vom Verband neue Argumente.“ Deutschland hat sich dagegen in den letzten Wochen blitzschnell in ein Frauenfußball-Dorado verwandelt.

Seit ihrem WM-Triumph vor fünf Wochen werden die Weltmeisterinnen mit unvorstellbaren Dingen überhäuft: Die deutschen Frauen haben inzwischen ihren eigenen Mannschaftsbus, eigene Trikots mit einem Stern für ihren WM-Titel – und sogar ihren eigenen Sponsor! Der Hersteller von frauenfreundlichem Naschwerk (kalorienarme süße Drops ganz ohne Fett!) wirbt auch mit Heidi Klum, dem Topmodel. Und es scheint, dass die deutschen Fußballfrauen einen ähnlichen Berühmtheitsgrad erreicht haben wie die schöne Dame aus Bergisch-Gladbach.

Kreischende Teenies im Zahnspangenalter, hauptsächlich weibliche, belagerten den Mannschaftsbus. Blökten Dinge wie: „Birgit, Birgit, du bist die Größte!“ Oder: „Kerstin, Kerstin, ich will so sein wie du!“ Trainerin Tina Theune-Meyer staunte: „Das ist alles noch neu für uns. Wir wünschen uns, dass es so bleibt.“ Tag für Tag müssten ihre Spielerinnen den Frauen-Fußball neu verkaufen.

Vielleicht erscheint dann demnächst auch das dringend benötigte Glossar für feminine Fußballsprache.

CHRISTIANE MITATSELIS