La Tasheva und die Urmenschen

Sonora Milagrosa spielen am Samstagabend auf dem tazkongress den Soundtrack der Globalisierung: Electrorganic nennen sie das

VON GINA BUCHER

Manchmal fühlen sie sich wie „La Tasheva und die Urmenschen“ scherzen die vier Jungs, während die zierliche Sängerin spitzbübisch schweigt. Sonora Milagrosa nennt sich die Band – für die einzelnen Namen des Quintetts braucht es ein gutes Namensgedächtnis: Die bulgarische Sängerin Balkan Terremoto aka „La Tasheva“, DJ Dr. Trece aus San Salvador, „Monka Calavera Santos y Flores“ aus Buenos Aires, der Mexikaner „Jaguar“ Hiula und „Guru“ Elmo Lewis, der Berliner. Das Konzert im Mama Club beginnt in zwei Stunden. Nervös? Nein, lachen sie unisono und so glaubwürdig, als hätte die Band jahrelange Erfahrung.

Sonora Milagrosa gibt es seit knapp neun Monaten, gefunden haben sie sich in Berlin. Entsprechend „vorläufig“ und vage ist ihre Bandbio. Fragt man nach dem Stil ihrer Musik, verlieren sich die Musiker in einer Diskussion über Global-, Terra-, Balkanbeats, Desert Blues, Cumbia Tronic, Mambo-Ska-Breakbeats, Reggae, Patxanga-Drum&Bass, tropi-dub Latin und bulgarischen Gesängen: Klingen tut das nach einer Fusion von Elektro und vielfältigen Latin-Einflüssen mit osteuropäischen und orientalischen Elementen. Für die Bandbio einigten sie sich auf „Electrorganic“. Verschiedene ethnische Hintergründe, elektrifiziert, fassen sie die Mischung für den Laien zusammen.

Trotz polykulturellen Hintergrunds macht die Combo keine angestrengte Weltmusik. Anzutreffen sind sie in Berliner Clubs. Hier lernten sie sich auch kennen: zuerst Dr. Trece und Monka. „Ich bin der Laptop-Man“, beschreibt Dr. Trece, 34, seinen Part mit den Turntables. Monka, 22, der Argentinier, spielt Gitarre und singt. Beide ließen sich von Hiulas Trommelschlag der Mayas beeindrucken. La Tasheva, 23, die Bulgarin, saß mit einem portugiesischen Buch in der U-Bahn. Dr. Trece freute sich und lachte sie an. Schuld am Buch hatte ein Sprachkurs. Monate später hörte er sie singen, zufällig. „Sie bekam sofort einen Vertrag“, grinsen Hiula, Dr. Trece und Monka. Treces langjähriger Freund „Guru“ Elmo Lewis, 40, vervollständigt als DJ die Combo. Ein Geburtstagsmix besiegelte ihre Freundschaft, erzählt Elmo. Mit Stücken aus dem Osten, Indien und Nordafrika wollte er dem Latino die andere Seite der Welt schmackhaft machen.

Obwohl es die Band erst seit August gibt, gaben Sonora Milagrosa bereits zahlreiche Konzerte im Glashaus, Festsaal Kreuzberg, Kato und monatlich als Residency im Mama Club. Für eine neue Band ohne großes Label und Promotion im Rücken keine schlechte Bilanz. Entsprechend passend der Bandname: Milagros bedeutet Wunder. Und Sonoras sind die kleinen tropischen Orchester. „Gut, dass ihr mir das erzählt …“, kommentiert Elmo Monkas Ausführungen.

Die DJ-Sets plus Liveband haben bereits Fans gefunden. Ihre Livekonzerte sind schwitzende Tanzpartys: Junge, alternative Leute mit Blick in die Welt kämen zu den Konzerten. Läuft eine Band wie Sonoras Milagrosa nicht Gefahr, als Multikulti abgetan zu werden? Nein, meint Monka, Multikulti ist nicht mehr Nische. Die Musik ist auf jeden Fall ein sehr passender Soundtrack in Zeiten der Globalisierung und Culture Clashs. Die Band ist überzeugt davon, dass Musik bestes Mittel zur Überbrückung von Grenzen ist, sagt Elmo. Das reflektiert die Band mit ihrem Line-up aus fünf verschiedenen Ländern per se. Nicht nur bei den Sounds, auch die spanischen, bulgarischen, englischen und deutschen Lyrics erzählen davon. Die Texte sind nicht radikal, wichtig seien die verschiedenen Wege, sagen Tasheva und Monka. So verwenden sie alte Samples von politischen Reden von Allende, Castro und John F. Kennedy. Trotzdem, kokettieren sie, sei ihre Musik nicht politisch.

Schön und gut: Fünf Bandmitglieder aus allen Ecken der Welt – streitet ihr euch nie? „Oh doch – täglich!“, rufen alle gleichzeitig. Doch immerhin demokratisch – und in allen Sprachen. „Integrier dich, Alter!“, feixen Monka und Dr. Trece Elmo an. „Kommst du nicht zu kurz in der Männerrunde?“, frage ich La Tasheva, die Sängerin. „Wir fühlen uns alle ein bisschen wie Vater …“, antwortet Trece an ihrer Stelle. Später steckt ihr einer der Band fürsorglich ein Paracetamol gegen die kommende Grippe zu. Als sie zugreift, fordert er schelmisch in Dealer-Manier ein Küsschen ein. Sie hebt nur dezent die Augenbraue, lächelt und greift sich das Paracetamol.