Gar nicht nett

Für Rollstuhlfahrer haben die Pläne des Bausenators, öffentliche WCs in Gaststätten anzubieten, einen entscheidenden Pferdefuß: Kaum ein Lokal in Bremen hat einen barrierefreien Zugang zum Klo

VON TERESA HAVLICEK

Behindertenverbände und Gastwirte kritisieren die Pläne von Bau- und Umweltsenator Reinhard Loske, in Bremen die öffentlichen Toiletten abzuschaffen – und durch die „Netten Toiletten“ in Lokalen zu ersetzen. Das bedeutet: Gaststätten schließen einen Vertrag mit der Stadt ab und erlauben dafür die kostenlose Nutzung ihrer Klos.

Das Konzept nehme keine Rücksicht auf die Bedürfnisse von Menschen im Rollstuhl, bemängeln die Behindertenverbände „SelbstBestimmt Leben“ und das „Forum Barrierefreies Bremen“. „Die WCs in Gaststätten sind oft nur über Aufzüge oder schmale Gänge zu erreichen“, sagt Andrea Sabellek von SelbstBestimmt Leben. Oder eben gar nicht, weil eine Treppe in den Keller bezwungen werden muss.

Das ist auch an der Ausgehmeile Schlachte das Problem, wo Rollstuhlfahrer vor die Tür geschickt werden, wenn sie mal „müssen“: An der Straße steht derzeit noch ein barrierefreies öffentliches Toilettenhäuschen. Oder sie lassen sich von Fremden helfen wie in „Feldmanns Bierhaus“. Betriebsleiter Michael Schlüsselburg stellt zwei Angestellte ab, um Gäste im Rollstuhl auf dem Weg zum Klo die Treppen herunter und wieder herauf zu tragen. Und ein Umbau? Der sei zu aufwändig und deshalb zu kostspielig, sagt Schlüsselburg. Ähnlich argumentieren auch andere Schlachte-Gastronomen.

Die Hauptsorge der Kneipiers ist allerdings eine andere als die der Behindertenverbände. „Man hat dann keine Chance mehr, jemanden abzulehnen“, befürchtet der Präsident des „Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes“, Fritz Rößler. Schließlich besuchten auch „Klienten“ öffentliche WCs, „die in einem Restaurant nichts zu suchen haben“, wie er sich ausdrückt. Von den Plänen des Bausenators hat sein Verband übrigens erst aus der Zeitung erfahren. Gespräche, ob das Vorhaben umsetzbar ist, gab es nur mit einzelnen Wirten.

Nichts einzuwenden gegen die „Netten Toiletten“ hat hingegen der Landesbehindertenbeauftragte Joachim Steinbrück. Sollte die Versorgung durch die Gastronomie nicht ausreichen, fordert er allerdings, dass zusätzlich barrierefreie Klos aufgestellt werden. Davon könnte Bremen nach seiner Ansicht bereits jetzt mehr vertragen. Neben der Schlachte-Toilette gibt es in Bremen 23 öffentliche WCs, aber nur eine weitere ist behindertengerecht, die am Domshof. Und in Bremen-Nord – wo das Konzept für ein Jahr getestet werden soll – gibt es eine. Die Behindertenverbände befürchten, dass die wenigen Behinderten-WCs nach und nach geschlossen werden könnten – ohne, dass es genügend Ersatz in Gaststätten gibt.

Hans-Peter Weigel, beim Umweltsenator zuständig für wasserrechtliche Verfahren, sieht diese Gefahr nicht. Er glaubt, dass sich die Situation durch die „Netten Toiletten“ „wesentlich verbessern“ würde. Gut eine Million Euro kostet Bremen der Unterhalt seiner stillen Örtchen. Weigel schlägt vor, mit dem eingesparten Geld den Bau behindertengerechter WCs in Lokalen zu fördern.

Am Donnerstag stimmt die Baudeputation über den Vorschlag ab. Danach soll der Testlauf in Bremen-Nord beginnen. Wenn 2012 die Verträge mit den Toiletten-Betreibern „Hansewasser“ und „JCDecaux“ auslaufen, könnten auch in der Innenstadt die „Netten Toiletten“ eingeführt werden. Bereits vorher, sagt Weigel, sollten die senatorischen Behörden für Erleichterung sorgen: Sie könnten ihre WCs ab sofort öffentlich machen.