WOCHENÜBERSICHT: BÜHNE: Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
Es ist schon ein Kreuz, statt ein Schwarzer bloß ein Weißer zu sein. Nicht nur, weil Weiße so schlecht tanzen können. Auch der Kolonialismus hat ziemlich an ihrem Selbstwertgefühl genagt. Wer will schon ewig Täter sein! Aber Gott sei dank kann man ins Theater gehen und es sich so richtig nett machen mit seinem schlechten Gewissen. Hinterher geht man heim und fühlt sich wie der Katholik nach der Beichte. Diese Woche empfiehlt sich als Stätte des moralischen Ablasshandels die Volksbühne, die einen Achtziger-Jahre-Klassiker wieder ausgegraben hat. In „Kampf des Negers mit dem Hunde“ von Bernard-Marie Koltès sieht Regisseur Dimiter Gotscheff seismografisch sich eine durch Terror und Globalisierung abrupt verändernde Welt ankündigen. Wie bedrohlich inszeniertes Geschichtsbild und politische Wirklichkeit auseinander klaffen, davon erzählt Heiner Müllers „Bildbeschreibung“. Susanne Truckenbrodt, deren Theaterabende stets tänzerische, musikalische und theatralische Formen miteinander verflechten, hat sich für die Sophiensaele dieses schwierigen Textes angenommen, in dem sich die ganze Not des abendländischen Subjekts mit seiner Identität höchst bildmächtig entlädt. Dass viele Probleme, die das abendländische Subjekt mit sich selber hat, ihren Ursprung in der Tatsache haben, dass man als Kind einfach zu artig war, davon singt Fritz Zorn in seinem Roman „Mars“ ein Lied. Der Theaterdiscounter hat daraus einen Bühnenkommentar zur Geburt des Todes aus dem Geist des Wohlstands kondensiert. Im Orphtheater beginnt am Mittwoch die Lettische Theaterwoche, und in der Akademie der Künste feiert eine Ausstellung den Tanz in Deutschland seit 1945. Dazu ist als Gastspiel die Choreografie des langjährigen Pina-Bausch-Dramaturgen Raimund Hoghe „Tanzgeschichten“ zu sehen.
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