berliner szenen Ein Fuchs in Kreuzberg

Tollwut verpflichtet

Eine belebte und vor allem extrem motorisierte Kreuzung ist das, oben in Nordneukölln, wo kühn der Kotti den Landwehrkanal kreuzt. Wenn Ampeln auf Grün springen, dann preschen BMW mit dem notorischen Kennzeichen „B-MW …“ vorbei, dass es eine Freude ist. Klar gibt es auch den obligatorischen Irren, der regelmäßig vorbeigetorkelt kommt, Kauderwelsch brabbelnd. Solche Leute.

Eine durchwegs urbane Szenerie jedenfalls, großstädtisch bis zum Anschlag. Hier dröhnt’s auch nachts um drei Uhr noch, wenn andernorts Fuchs und Hase sich längst gute Nacht gesagt haben. Und dann, beim vielleicht vierten Bier zu viel, huscht jäh und auf Kniehöhe ein Schatten vorbei. Auf dem Gehsteig, zielstrebig auf die Kreuzung zu. Ein verblüfftes Ächzen geht durch die Reihen der späten Trinker, ein erstauntes Brausen, als hätte jemand eine Luftmatratze aufgeschlitzt. „Hund!“ ist der erste Gedanke, „Katze!“ der zweite. Aber was da nun direkt am Straßenrand anhält, den buschigen Schwanz steil in die Luft gereckt, das ist ein Fuchs.

Ein Fuchs. Steht da ungerührt im Licht der Scheinwerfer und wartet, bis die Autos aus Neukölln abgefahren sind. Schaut rechts, schaut links und huscht dann in die Mitte der Fahrbahn. Wo er gelassen, als stünde er im Mondenschein auf einer Waldeslichtung, die Autos aus Kreuzberg abwartet. Schnellen Schrittes und unversehrt schnurrt er schließlich über die Straße ins zwielichtige Gestrüpp am Ufer des Kanals. Er ist ganz eindeutig kein Tourist. Er hat hier Geschäfte zu erledigen. Gänse stehlen im Streichelzoo? Oder ein Rendezvous mit einem süßen Hasen, zum Gute-Nacht-Sagen? Und: Wie tollwütig muss man eigentlich sein, um es in Berlin gemütlich zu finden? ARNO FRANK