Ein guter Absatzmarkt für Billigprodukte

Die chinesische Community in Berlin ist noch vergleichsweise klein. Das soll sich künftig ändern. Die Stadt präsentiert sich auf Chinesisch im Internet und bietet Schnupperangebote für die potenziellen Investoren aus Fernost

In Berlin leben 5.500 Chinesen, Bürger aus Tibet, Hongkong und Taiwan inklusive. Gemeinsam mit Hamburg hält Berlin damit die Spitzenposition innerhalb Deutschlands. Doch im europäischen Maßstab nimmt sich diese Zahl eher bescheiden aus. Eine China-Town wie in Paris, in der Chinesen gemeinsam mit Vietnamesen, Laoten, Thailändern und einigen alteingesessenen Franzosen wohnen, Restaurants und Geschäfte betreiben, gibt es in Berlin nicht.

Das wäre auch schwer vorstellbar. Die jeweiligen asiatischen Gemeinden sind sich in Berlin einander fremd geblieben. Die Mehrheit der Asiaten in Paris etwa hat in den 70er- und 80er-Jahren ihre Herkunftsländer China, Vietnam, Laos oder Thailand aus politischen Gründen verlassen. Nach Berlin migrierten Asiaten auch als Arbeitskräfte und Studenten in die DDR oder sie konnten mit amtlicher Genehmigung als Spezialitätenköche aus China aus- und nach Berlin einreisen.

Die meisten Chinesen kamen als Studenten nach Berlin, erzählt Dagmar Yu-Dembski, Vorsitzende der Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft. „In naturwissenschaftlichen und technischen Fachrichtungen genießen deutsche Universitäten in China einen guten Ruf. Da spielen auch Traditionen des Studentenaustausches eine Rolle, die bis in die 20er-Jahre zurückreichen. Außerdem schätzen Chinesen, dass es in Deutschland keine Studiengebühren gibt.“ Die Studenten sehen Deutschland jedoch lediglich als ein Durchgangsstadium an. „Es zieht sie in die großen Metropolen in Westeuropa und Nordamerika, in denen es große chinesische Gemeinden gibt.“

Wer doch geblieben ist, hat oft ein Chinarestaurant aufgemacht. Doch derzeit gehe es dieser Branche schlecht, so Yu-Dembski. „Dagegen boomt die Nachfrage nach traditioneller chinesischer Medizin, asiatischen Kampfsportarten und spiritueller Beratung etwa bei der Wohnungseinrichtung.“ Das Interesse chinesischer Händler sieht Yu-Dembski im Wirtschaftsboom in China begründet. „Die dortigen Fabriken suchen neue Absatzmärkte. Und da es Berlin wirtschaftlich schlecht geht, sehen sie wohl hier einen guten Markt für Billigprodukte.“

Seit Mai erlaubt die Volksrepublik ihren Bürgern, als Touristen ins Ausland zu fahren. Berlin hat gute Chancen bei den wohlhabenden der 1,3 Milliarden Chinesen. Weil es seit 1994 Partnerstadt von Peking ist, haben viele Bewohner den Namen schon einmal gehört. Und Berlin hat reagiert: Als erste deutsche Stadt bot sie ihre Website auch auf Chinesisch an.

Das Asien-Pazifik-Forum bei der Senatskanzlei erlebt seit dem Frühsommer „einen regelrechten Boom von Nachfragen chinesischer Investoren.“ Eine Sprecherin gibt sich dennoch reserviert. „Wir müssen abwarten, ob aus dem Reich der Mitte tatsächlich das Geld investiert wird, das Berlin den dringend nötigen Wirtschaftsimpuls bringen könnte.“ Zielgruppe des Forums seien Chinesen aus der Volksrepublik, nicht die, die bereits in Europa leben und nun nach Berlin strömen.

Verhalten optimistisch äußert sich auch die Wirtschaftsförderung Berlin International. „Anfragen von Investoren aus China, sich mit Unterstützung öffentlicher Förderprogramme anzusiedeln, sind leider noch sehr selten. Wir arbeiten aber daran, diesen Zukunftsmarkt zu erschließen“, sagt Sprecherin Christina Hufeland. Derzeit sei man stolz, zwei chinesische Unternehmen mit „Berlin business welcome packets“ zu fördern. Das bietet ausländischen Investoren an, Berlin erst einmal zu beschnuppern, ohne gleich Wohnung oder Büro mieten zu müssen. Am weitesten fortgeschritten ist ein Projekt im Alten Schlachthof in Prenzlauer Berg. Manfred Nicolovius, Geschäftsführer der Vermarktungsfirma SIS erklärt: „Auf 14.000 Quadratmetern soll ein chinesisches Messe-, Büro- und Großhandelszentrum entstehen.“ Das wollen 200 bis 250 mittlere und kleinere Unternehmen aus der Volksrepublik im Rotationsverfahren nutzen, um „ihre ersten Gehversuche auf dem europäischen Markt zu bestehen“. MARINA MAI