Flipflops und Schipschips

Arabiata: Wer Schlurfschuhe trägt, verliert die Fähigkeit zum würdig-aufrechten Gang

Es gibt immer mehr Deutsche, die den Ägyptern ähnlich werden. Ähnlicher als manche es vielleicht gern hätten. Ich meine jene Deutschen, die mir während eines sommerlichen Deutschlandurlaubs mit ihren „Flipflops“ begegneten. „Flipflop“– das soll flippigfloppig wirken, bleibt aber immer nur eines: eine Badelatsche oder -schlappe.

Beide Begriffe indes bezeichnen lautmalerisch ein Stück Gummi, das mit einer Halterung für den Fußspann versehen ist. Bis zum Sommer 2003 klemmte man sich in europäischen Gefilden die Dinger an die Füße, um sich an selbigen keine Pilze zu holen. Außerhalb von Fungibiotopen wie finnischen Saunen, türkischen Bädern und deutschen Schwimmanstalten war es gesellschaftlich geächtet, herumzubadelatschen. Und das war gut so. Denn mit Badelatschen kann man weder spazieren, promenieren oder defilieren noch wandern, rennen oder joggen, geschweige denn marschieren oder einherschreiten. Mit der Badelatsche am Fuß wird jeder flippige Schritt ein schrottiger Flop. Man kann mit ihnen nicht gehen; man muss latschen, schlurfen, schlappen. Der Schritt bestimmt den Auftritt. Wer zu viel latscht und schlurft und schlappt, verliert die Fähigkeit zum würdig-aufrechten Gang. Und wird zum schlapp-latschenden Schlurf. Oder zur Schlurfa.

In Jordanien werden Badelatschen ebenfalls lautmalerisch bezeichnet – mit dem Wort „Schahata“ (von „schleifen“). Immer häufiger ist aber auch der Begriff „Schipschip“ zu hören. Er wurde von den vielen ägyptischen Gastarbeitern eingeführt, die sich im Reich von Abdullah II. verdingen, weil ihnen ihr Herkunftsland nichts zu bieten hat. Oder hat Ägypten ihnen nichts zu bieten, weil es dort so viele Schipschip-Träger gibt?

Jeder jedenfalls, der Badelatschen außerhalb ihrer kulturhistorisch zugewiesenen Bestimmungsorte trägt, sollte einmal einen Blick nach Ägypten wagen. Dort kann man sehen, welche Wirkung die Latsche auf den Latscher hat: Die alten Ägypter hoppelten noch in schmucken Schilfsandalen von Pyramide zu Pyramide. 5.000 Jahre lang ging das gut. Ja, die beherzte Gangart der Ägypter war in der Weltgeschichte so herausragend, dass sie verewigt wurde in Malereien und Musikstücken, zum Beispiel von der amerikanischen Damenkapelle The Bangles in dem Lied „Walk like an Egyptian“. Als die jungen Damen ihren Hit Mitte der Achtzigerjahre durch die Paraden shmashten, war freilich schon alles vorbei. Bereits ein paar Jahrzehnte zuvor hatten die Ägypter ihre Sandalen gegen Schipschips getauscht. Und Kairo – eine Stadt, die wegen ihrer Pracht bis dahin „Umm ad-Dunya“ genannt worden war, „Mutter der Welt“ – wurde prompt zur „Jiddat ad-Dunya“, der „Welten-Oma“. Was nichts ist als ein weiterer Euphemismus: Seit die Badelatsche in Ägypten Einschlurf hielt, ist Kairo schlicht zur weltgrößten Müllkippe verkommen, mit dem Nil als Abwasserkanal in der Mitte.

Kürzlich sah ich eine deutsche Touristin in der Altstadt von Amman mit tannennadelgrünen Badelatschenschipschips umherschluppen. Den Weg dieser hundertprozentsynthetikbesohlten Frau kreuzte eine Araberin mit bis zu den Knöcheln hochgekrempelter Jeans und schwarzen Schnürlederboots. Nichts Flippigfloppiges! Der Gang fest; die Jordaneuse stand mit beiden Füßen im ganzen Leben. Da wusste ich, dass ich eines Tages das Hohelied anstimmen würde auf den Frauenfuß im Wanderschuh.

BJÖRN BLASCHKE