Piraten verhandeln mit USA über Kapitän

Der Kapitän befindet sich in Geiselhaft auf einem Rettungsboot. Retten können ihn nur Verhandlungen

NAIROBI taz ■ Es begann als einer der Piratenüberfälle, wie man sie vor Somalias Küste derzeit beinahe täglich sieht. Doch am Freitag war aus der Entführung der unter amerikanischer Flagge fahrenden „Maersk Alabama“ längst ein Geiseldrama auf hoher See geworden. Der Kapitän der „Alabama“, Richard Phillips, befand sich da an Bord eines Rettungsboots, das ohne Treibstoff manövrierunfähig im Indischen Ozean dümpelte. Nur wenige hundert Meter entfernt erhob sich die graue Außenwand der „USS Bainbridge“, einem Zerstörer der US-Marine. Die „Alabama“ und ihre amerikanische Besatzung befand sich schon fast in Kenias Hafenstadt Mombasa: Sie hatten einen der Piraten kurz nach der Entführung am Mittwochmorgen überwältigt und so die anderen Seeräuber zur Aufgabe gezwungen. Doch bei ihrer Flucht in ein Rettungsboot der „Alabama“ nahmen die Piraten Kapitän Phillips als Geisel.

Ein Versuch des 53-Jährigen, in der Nacht zum Freitag im Schutz der Dunkelheit in Sicherheit zu schwimmen, scheiterte. Die somalischen Piraten schafften ihn zurück an Bord. Per Satellitentelefon gaben sie sich kampflustig. „Wir haben keine Angst vor den Amerikanern und werden uns verteidigen, wenn wir angegriffen werden.“ Der US-Kommandeur für den Nahen und Mittleren Osten, David Petraeus, erklärte am Freitag, man strebe eine friedliche Lösung an. „Experten für Geiselnahmen im Hauptquartier der Bundespolizei FBI stehen im direkten Kontakt mit dem Kapitän der ‚USS Bainbridge‘ “, so Petraeus. „Wir hoffen, dass diese Verhandlungen Erfolg haben, aber wir wollen natürlich alle Mittel zur Verfügung haben, die in den nächsten Tagen gebraucht werden könnten.“ Dazu gehören mehrere Kriegsschiffe der US-Armee, die auf dem Weg zum Ort der Geiselnahme sind. Unter ihnen soll die Kriegsfregatte „USS Halyburton“ mit zwei Hubschraubern an Bord sein.

Über die Details vor Ort herrschte Unklarheit, weil die US-Marine Funkstille verhängt hat. Andrew Mwangura, der die Aktivitäten der Piraten von Kenias Hafenstadt Mombasa aus beobachtet, erklärte, eine friedliche Lösung der Geiselnahme innerhalb der nächsten 48 Stunden sei möglich. „Die Piraten wollen Lösegeld und freies Geleit.“ Erschwert würden die Verhandlungen durch die Präsenz der US-Marine. „Andere Piraten würden ihren Freunden helfen, aber das käme einem Todesurteil gleich.“ Weil die Piraten nicht mit einem Rettungsboot fliehen könnten, müsse ihnen eine andere Fluchtmöglichkeit eröffnet werden.

Die Situation gleicht einer klassischen Geiselnahme unter verschärften Bedingungen. Alle Absprachen mit den Entführern laufen über Funk, Augenkontakt gibt es nicht. Scharfschützen etwa können auf das im offenen Meer schaukelnde Rettungsboot nicht angesetzt werden. Lange hinziehen könnten sich die Verhandlungen allerdings. Rettungsboote für Schiffe dieser Größe sind mit Proviant und Ausrüstung für mindestens eine Woche ausgestattet. Manche Fragen dürften frühestens nach Ende des Geiseldramas beantwortet werden. So ist es erstaunlich, dass sich gleich 20 Amerikaner an Bord der „Alabama“ befanden. Normalerweise rekrutiert sich die Besatzung von Containerschiffen aus Billiglohnländern wie den Philippinen.

MARC ENGELHARDT