Hamburger Szene
: Brennende Bücher

Er war ungefähr Mitte 60, trug eine Lodenjacke zur Jeans, hatte eine sportliche Kappe auf dem Kopf und eine Pilotenbrille auf der Nase. Außerdem hatte er seinen Rucksack dabei und kein Auge übrig für die Kinder, die neben dem haushohen Osterfeuer-Haufen zündelten. Es war der frühe Samstag Abend am Elbstrand unterhalb von Blankenese. Der Holzhaufen sollte in einer Stunde entzündet werden.

Er holte Bücher aus seinem Rucksack und begann, die Bücher in den Holzhaufen werfen. Dann ging er zu einem der Mini-Feuer, in das die Kinder Zweige warfen, und verbrannte einen Pass. Er sah dem Pass beim Brennen zu und es wirkte nicht so, als würde er in Gedanken etwas nachhängen. Er wollte nur sicher gehen, dass alles verbrannte.

Das machte eine der Mütter neugierig. Welcher Last er sich da entledige, wollte die Frau wissen. Es sei ein Pass seiner Großeltern und es seien Bücher seines Vaters, erzählte er. Bücher aus der Mitte der 1930er Jahre, zum Beispiel eines über Carin Göring, die erste Frau von Hermann Göring. Widerliche Bücher, sagt er und er sagt auch, dass der Antisemitismus immer noch in den Deutschen stecke und so leicht nicht zu überwinden sei.

Dann prüft er, ob die Bücher tief genug im Holzhaufen versunken sind und geht. Er will kein Aufsehen, er macht keine Show, er will nur sicher gehen. Es soll offensichtlich keine Bücherverbrennung im Stil der Nazis sein. Und trotzdem hätte man sich gewünscht, er wäre die Bücher anders losgeworden. KLI