Alte Zöpfe, neu geflochten

Konventionell, aber unterhaltsam: Sebastian Schlösser inszeniert „Das doppelte Lottchen“ am Schauspielhaus

Ein Kinderbuch ist große Literatur, wenn man auch als Erwachsener noch über die Geschichte staunen kann. Erich Kästners Das doppelte Lottchen gehört zu diesen Büchern. Auf den ersten Blick eine unterhaltsame Verwechslungskomödie über zwei Zwillingsmädchen, bei genauem Hinsehen ein zeitloses Familiendrama, das von verletzten Kinderseelen und gedankenlosem Erwachsenenhandeln erzählt.

Das Schauspielhaus, versiert in der Bühnenadaption von Käst-ner-Büchern, hat diesmal den Jungregisseur Sebastian Schlös-ser mit der Umsetzung beauftragt. Der 26-Jährige, der mit dem Teenager-Drama Nicht nichts im vergangenen Jahr seine Theaterpremiere im Neuen Cinema feierte, inszeniert damit zum ersten Mal auf der großen Schauspielhaus-Bühne.

Vielleicht hat er deshalb keine Experimente gewagt, sondern sich strikt an die literarischen und filmischen Vorlagen gehalten: Die Zwillinge hüpfen in Matrosenkleidchen im 50er-Jahre-Look über die Bühne, und die gemalten Kulissen erinnern an die Illustrationen der Kästner-Bücher. Und wie in der Verfilmung von 1950 führt auch bei Schlösser ein Erzähler durch die Handlung.

Das ist auf der einen Seite sehr poetisch, weil es der Literaturvorlage Raum gibt und bei den älteren Theaterbesuchern Erinnerungen hervorruft. Andererseits hat man hier die Chance verpasst, einen Klassiker glaubwürdig in die Gegenwart zu übertragen. Schließlich ist die Thematik – Scheidung und zerrissene Familien – heute weitaus aktueller als zum Entstehungszeitpunkt des Buchs.

Doch auch wenn Schlösser dem Stück nicht unbedingt seine eigene Handschrift aufdrückt, so ist ihm dennoch ein unterhaltsamer Theaterabend gelungen: Mühelos hält er den Spannungsbogen über zwei Stunden und bezieht immer wieder das Publikum in die Geschichte mit ein. Sein Ensemble unterstützt ihn dabei mit viel Humor und Begeisterung, allen voran Mira Bartuschek als temperamentvolle Zwillingshälfte Luise und Bernd Moss als zerstreuter Künstler-Vater. Bjarne Mädel als Erzähler gleitet zwar ein paarmal zu oft in die Rolle des Pausenclowns ab, aber die kleinen Zuschauer haben sichtlich ihren Spaß dabei. Und wer ein Theaterhaus voller Kinder zum Jubeln bringt, dem gebührt in jedem Fall auch der Applaus der Erwachsenen.

Carolin Ströbele

nächste Vorstellung: 23.11., 18 Uhr, Schauspielhaus