Eine geringe Menge

Ein Streifzug durch „Die bekiffte Republik“ (23.00 Uhr, ARD), der das Berauschende nüchtern dokumentiert

Was ist eigentlich eine „geringe Menge“? Sind es drei, fünf, sechs, zehn, 15 oder 30 Gramm? Naja, stimmt irgendwie alles. Kommt halt drauf an, wo man gerade konsumiert. Drei Gramm beispielsweise sind’s im rigidesten Bundesland Baden-Württemberg, 15 Gramm etwa in Berlin, immerhin 30 Gramm in Schleswig-Holstein und Hessen. Ja, es hat sich nichts getan, seit das Bundesverfassungsgericht 1994 geurteilt hat, dass bei Besitz einer „geringen Menge“ Cannabis von Strafverfolgung abgesehen werden kann – und dass die Bundesländer ihre Rechtssprechung doch bitte schön vereinheitlichen sollen. „Die Rechtspraxis“, sagt Carsten Schäfer vom Freiburger Max-Planck-Institut, „ist verfassungswidrig“.

Schäfer sagt das in der ARD-Dokumentation „Die bekiffte Republik“. Und die juristisch problematische Grauzone bildet sozusagen auch die Rahmenbedingung bei Filmautor Max von Klitzings Streifzug durch das, na ja, bekiffte Deutschland (vier Millionen Menschen sind’s laut Statistik, und zwar regelmäßig).

Das Gute an der Dokumentation: Sie erzählt einfach – bzw. lässt erzählen. Von Befürwortern wie Bedenkenträgern. Es sprechen Konsumenten, die ihr „Recht auf Rausch“ vor Gericht einklagen; Aktivisten, die die Freigabe, aber auch eine Altersbegrenzung ab 18 Jahre fordern; Mediziner, die bei 1 bis 2 Prozent der Konsumenten psychische Abhängigkeit festgestellt haben – „weniger als bei allen legalen Drogen“. Oder es spricht Wasserpfeifen-Hersteller wie Martin Birzle, der dem Ganzen auch einen marktwirtschaftlichen Aspekt abgewinnt: „Ich habe in der Zeit 10 Arbeitsplätze geschaffen, wo die BASF 10.000 abgebaut hat.“

Nur am Schluss wird’s öffentlich-rechtlich-moralisch, wenn es heißt: „Um diese Diskussion wird die Gesellschaft, Justiz und Politik nicht mehr herumkommen.“ Na gut, denkt man sich: Warum ausgerechnet jetzt, sie haben es doch die ganzen Jahre nur mehr recht als schlecht getan. Das aber ist eben auch ein Erkenntnisgewinn der Doku: Sie ist einerseits sehr aufklärend, sie macht aber andererseits auch deutlich, wie verklemmt die Öffentlichkeit nach wie vor auf das Thema reagiert.

Bild hievt Tagesthemen-Wickert eben immer noch auf die Titelseite („Mr. Tagesthemen auf Haschisch-Trip“). In dieser Zeit des, wow, Haschisch-Outings gab’s auch einen Auftritt des Einmal-Konsumenten Hans Eichel (Ja, der Eichel!), der bei (Johannes B.) Kerner gesagt hat: „Ich trink halt lieber Wein, jeder hat so seine Vorlieben, an dem [Haschisch] habe ich nie so richtig Spaß gefunden.“ Eine angenehm nüchterne Perspektive. Aber Haschisch wird ja auch nicht versteuert. THILO KNOTT