TÜRKEI: DIE ATTENTÄTER GENIESSEN KEINE HEIMLICHE SYMPATHIE
: Einheimische Terroristen

Die Identität der Attentäter, die sich am Samstag mit Autos voller Sprengstoff vor zwei Synagogen in Istanbul in die Luft jagten, klärt sich. Nun stellt sich die Frage nach den Hintergründen noch einmal neu. Die vier Personen, die die Anschläge durchgeführt oder vorbereitet haben sollen, sind Einheimische. Zwar hatten sie Kontakte nach Afghanistan, Pakistan und in den Iran, doch bislang können die Behörden nicht beweisen, dass die Attentäter mehr als ideologisch mit al-Qaida verbunden sind.

Waren die Terroranschläge in Istanbul also tatsächlich Fanale im weltweiten Kampf islamischer Fundamentalisten gegen den Westen, oder war der Terror in Istanbul hausgemacht? Ist er das Ergebnis eines wachsenden Antisemitismus in Europa, wie der israelische Außenminister behauptet, oder setzen da Fanatiker ihr tödliches Programm um, völlig unbeeindruckt vom Diskurs im Westen?

Die türkische Regierung zeigt heftig nach außen. In der Tat lassen sich die Anschläge nur schwer als Ausdruck eines wachsenden Antisemitismus in der türkischen Gesellschaft erklären. Juden sind nicht Ziel ständiger verbaler Hassattacken. Die islamisch grundierte Regierung ist durch keine antisemitischen Äußerungen aufgefallen. Im Gegenteil: Sie hat die Kontinuität der Beziehungen zum Staat Israel gewahrt. Trotzdem lebt in islamistischen Kreisen der Türkei ein ähnlicher Antisemitismus wie in arabischen Nachbarländern auch. Das sind Minderheiten, aber vielleicht greifen sie gerade deshalb zu terroristischen Mitteln.

Es ist letztlich nicht so wichtig, ob die Attentäter von Istanbul sich denen von Bali, Djerba und Riad lediglich ideologisch verbunden fühlen oder als Zelle eines internationalen Netzes operiert haben. Wichtig ist, dass sie innerhalb der Gesellschaft isoliert bleiben. Die Reaktionen in Istanbul und der Türkei insgesamt haben gezeigt, dass die Attentäter keine Sympathien genießen. Politiker und Medien bemühen sich, keinen Unterschied zwischen Opfern jüdischen und muslimischen Glaubens zu machen. Eine gute Geste: Zum Zeichen ihrer Dazugehörigkeit waren die Särge der jüdischen Toten in türkische Flaggen gehüllt. JÜRGEN GOTTSCHLICH