Schleswig-Holstein bei den Verlierern

KIEL taz ■ Wenn die Deiche brechen, braucht Schleswig-Holstein Nothelfer in Uniform – unter anderem damit versuchte Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) Peter Struck zu überzeugen, seine Truppen nicht abzuziehen. Doch der Parteifreund im Verteidigungsministerium ließ sich nicht erweichen: Das Land gehört zu den Verlierern des Bundeswehrabbaus.

„Tragisch für die Stadt und die Region“, nannte Rendsburgs Bürgermeister Andreas Breitner den Verlust von rund 1.500 Soldaten in seinem Amtsbereich, Kellinghusens Bürgermeisterin Helga Nießen sprach vom „Todesstoß“ für ihre Stadt.

Zurzeit gibt es im nördlichsten Bundesland 53 Standorte, bleiben sollen 40. Dass einige – vor allem Depots – schließen oder deutlich kleiner werden, steht bereits länger fest. Aber jetzt geht es um größere, spezialisierte Einrichtungen.

Die CDU nutzte den bevorstehenden Truppenschwund für den Wahlkampf. Dietrich Austermann, designierter Minister im Schattenkabinett, nannte bereits vor Tagen die Standorte, die „ernsthaft bedroht“ seien, und orakelte, mit dem Abzug der Soldaten werde der „Heimat- und Katastrophenschutz“ aufgegeben. Als eine „Kahlschlagreform mit falscher Zielrichtung“ hat der CDU-Spitzenkandidat zur Landtagswahl 2005, Peter-Harry Carstensen, die Schließungen bezeichnet. Der Landesregierung warf er gestern in Kiel fehlende Unterstützung vor. Sie habe offenbar keinen Einfluss ausgeübt, um die Folgen für die Betroffenen abzumildern.

Während in den betroffenen Orten Große Koalitionen für ihre Kasernen demonstrierten, tat sich die rot-grüne Regierung mit klaren Worten schwer. Das Land wolle so viele Standorte wie möglich erhalten, versprach Innenminister Klaus Buß (SPD). Dennoch fand er gleich einen Grund dafür, dass Struck im Norden den ganz breiten Rotstift ansetzte: Schleswig-Holstein sei „überproportional mit Bundeswehr besetzt“ und darum jetzt besonders stark betroffen.

Gestern kommentierte die stellvertretende Ministerpräsidentin Anne Lütkes (Bündnis 90/Die Grünen) die Streichliste: „Wir bedauern, dass nur wirtschaftliche und militärische Begebenheiten berücksichtigt wurden. Die Landesregierung wird zügig ihr Konversionsprogramm fortschreiben und den betroffenen Kommunen alle erdenkliche Hilfe geben.“

ESTHER GEISSLINGER