Revier sieht von Opel nur den Heckspoiler

Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum diskutieren die Opel-Krise und den Strukturwandel. Die Analysen und Lösungsvorschläge sind altbekannt und bewährt – sie kommen aber zu spät, um den Opelanern zu helfen

BOCHUM taz ■ Opel Bochum kämpft um sein Überleben, und auch die Bochumer Ruhr-Universität hat es bemerkt. Auf einer Diskussionsveranstaltung am Dienstagabend haben sich Wissenschaftler der Hochschule auf die Suche nach den Ursachen des Konflikts und nach Lösungskonzepten für das Werk im Speziellen und den Strukturwandel im Ruhrgebiet im Allgemeinen begeben.

Nur eine handvoll Studenten und einige ehemalige Opel-Betriebsräte folgt der Einladung der Wissenschaft – die leeren Sitzreihen im riesigen Hörsaal dokumentieren das Desinteresse des universitären Nachwuchses im Ruhrgebiet am Arbeitskampf der Malocher. Ähnlich trostlos wie der Besuch fällt auch der Versuch aus, Alleinstellungsmerkmale zu finden, die den Standort Bochum für den Mutterkonzern General Motors unentbehrlich machen könnten. Produktionskosten? Sind in Polen niedriger. Know-How? Sitzt in der Konzernzentrale in Detroit, die Forschung- und Entwicklungsabteilung von Opel Deutschland befindet sich in Rüsselsheim. Der Bochumer Sozialwissenschaftler Ludger Pries folgert: „Wir brauchen eine stärkere Vernetzung von Opel mit der Region, müssen unsere Stärken nutzen.“ Die Ruhr-Uni sei da und werde ihre Expertisen anbieten. „Sonst muss man das 50-jährige Werksjubiläum 2012 in einem historischen Seminar diskutieren.“

Die Vernetzung von Industrie und Wissenschaft hat auch der Sozialwissenschaftler und frühere Kanzlerberater Rolf Heinze als stärkste Waffe regionaler Strukturpolitik ausgemacht: „Sehen sie sich VW in Wolfsburg an. Die Stadt hat ein Autocluster geschaffen, mit der Autostadt, Dienstleistern, der Technischen Uni Braunschweig und den Instituten am Ort. Die Arbeitslosigkeit ist von 18,4% auf 8% gesunken“, sagt Heinze. Bochums Autocluster besteht im Wesentlichen aus Tuning-Firmen.

Clusterpolitik, Kompetenzzentren, dazu Stärkung von Zeitarbeitsfirmen und Entwicklung kleiner Unternehmen – für Heinze ist das auch die Zukunft des „noch längst nicht vollbrachten“ Strukturwandels im Ruhrgebiet. Neu ist das nicht, ebenso wenig wie das Vorzeigemodell, das Heinze anführt: Das dortmund-project, das als millionenschwere Hinterlassenschaft von ThyssenKrupp junge Unternehmen in der IT- und Mikrosystemtechnikbranche fördert. „Wenn wir nicht intelligente Lösungen entwickeln, brauchen wir auch bei der EU nicht mehr nach Fördermitteln zu fragen – wir haben doch schon Milliarden gekriegt und viel zu wenig daraus gemacht“, sagt Heinze.

Was dem Ruhrgebiet zukünftig helfen mag, kommt nach Ansicht von Opelanern für den Erhalt ihres Werks längst zu spät. „Es tut mir leid, aber Sie werden mit ihren Ideen von General Motors doch überhaupt nicht gefragt – genauso wenig wie die Arbeiter“, ruft der ehemalige Betriebsratschef Peter Jaszczyk den Wissenschaftlern zu. Tatsächlich scheint GM in den geheimen Verhandlungen mit dem Betriebsrat weiter darauf zu bestehen, in Bochum und Rüsselsheim je 4.000 Stellen zu streichen. Für den Wissenschaftler Pries kein Grund zur Resignation. „Die Autoindustrie ist ja nicht per se eine Altindustrie, die ihrem Niedergang entgegen geht“, sagt er. Für Opel-Urgestein Jaszczyk ist das schon längst traurige Realität. Sein Kommentar: „Liebe Leute, macht die Augen auf.“KLAUS JANSEN