Gottschalk sagt
: Achtung Witzdiebe!

CHRISTIAN GOTTSCHALK: Die Kolumne am Donnerstag

Die Witzbranche ist ein heißes Pflaster. Seit 1994 ist der Verbrauch von Witzen und Kalauern im deutschen Fernsehen um 69 Prozent gestiegen. Ein Witz wird bei den Privaten etwa um 150 Euro gehandelt, wobei das Alter des Witzes keine Rolle spielt. Bei „Sieben Tage – Sieben Köpfe“ gilt gar das Motto: „Ein guter Witz ist wie ein guter Wein.“ Doch die Witzproduzenten befinden sich in der Krise. Was tut ein Gag-Schreiber, wenn ihm nichts mehr einfällt und wenn alle Witze aus „Lachen mit Fips Asmussen“ umgeschrieben und aufgebraucht sind?

Er begibt sich an die Quelle des Humors, dahin wo es Pointen im Überfluss gibt, Eins-A-Qualitätswitze an der Zahl, er betritt das humoristische Schlaraffenland: den Kölner Karneval. Dort klaut er hart arbeitenden Karnevalisten ihre Witze. Die Opfer: Ne Knallkopf, Ne kölsche Schutzmann, die 2 Schlawiner. Die Dunkelziffer sollte man aber auch nicht vergessen. Die heiße Ware wird dann für teuer Geld ans Fernsehen verkauft. Dort fragt schon lange niemand mehr nach der Herkunft des Materials, vielmehr ist die gängige Praxis ein offenes Geheimnis, und man zwinkert sich zu: „Vom Laster gefallen...“

Ne kölsche Schutzmann dazu im Express: „Das macht mich sauer.“ Und die dreisten Witzdiebe sacken ein, was nicht niet- und nagelfest ist, auch grob fehlerhafte Witze gehen kurze Zeit später über den Äther. Zum Beispiel der folgende Gag des kölschen Schutzmanns: „In Dolly Buster ist so viel Silikon, da hätten sie in der DDR zwei Trabis draus gemacht.“

Dieser Witz ist nicht lustig, weil er unlogisch ist. Der Trabant besteht nicht aus Silikon. Übrigens auch nicht aus Pappe, wie der Volksmund meint. Er besteht aus Duroplast, einem Baumwollvlies, das mit Phenolharz-Granulat versetzt wird. An des kölschen Schutzmanns Stelle wäre ich froh, dass das Ding weg ist.

Doch der Streit um die Ware Witz geht weiter. Das Problem: Wenn die Bestohlenen gegen die Diebe vorgehen wollen, müssen sie ihre Urheberschaft beweisen. Viele der im Karneval verwendeten Witze sind aber, verfolgt man sie zu ihrem Ursprung zurück, so alt, dass sie nach den Richtlinien für Bodenfunde behandelt werden müssen und deshalb der Stadt Köln gehören. Das war jetzt auch kein Knaller-Gag. Aber ich habe ihn selbst gebastelt.