Lehrermangel ist doch nicht so schlimm

Im Regierungsbezirk Köln gehen mehr Kinder und Jugendliche zur Schule als im Vorjahr. Das erfordert mehr Lehrer. Der Regierungspräsident ist überzeugt, dass er alle Stellen besetzen kann und es zu keinem Unterrichtsausfall kommt

KÖLN taz ■ Im Regierungsbezirk Köln gibt es – im Gegensatz zum Bundestrend – genug Nachwuchs: Zum neuen Schuljahr stieg die Zahl der Schüler um über 3.000 auf nunmehr insgesamt 182.659. Auch wenn diese Entwicklung im Einzelnen „nicht vorhersehbar“ gewesen sei, ist Regierungspräsident (RP) Jürgen Roters – besonders unter Berücksichtigung der Haushaltslage –mit der Lehrerzahl an den Schulen im Bezirk insgesamt „durchaus zufrieden“. Die geschätzten 500 noch benötigten Lehrerstellen würden nach Möglichkeit spätestens am 1. Februar 2005 besetzt. Bis dahin könne das Programm „Geld statt Stelle“ helfen, bei dem kurzfristig und auf Zeit Vertretungslehrer den Unterricht übernehmen. In diesem Jahr seien schon 3.500 solcher Verträge geschlossen worden.

Im Detail sieht die Bilanz, die der RP gestern veröffentlichte, sehr unterschiedlich aus. So gibt es bis auf wenige Ausnahmen bezirksweit einen Lehrermangel an Gymnasien und Gesamtschulen. Roters erklärt dies mit dem „unvorhersehbaren“ Ansturm auf diese Schulen. An Gymnasien stieg die Schülerzahl gegenüber dem Vorjahr um 1,9 Prozent auf 115.000, bei den Gesamtschulen sogar um 2,7 Prozent auf 46.000. Als Folge fehlen an den Kölner Gesamtschulen acht Lehrer, an den 33 Gymnasien sogar 13. Zurückgegangen sind die Schülerzahlen an Real- und Hauptschulen, weshalb es im Regierungsbezirk statistisch zu einem minimalen „Lehrerüberhang“ kommt. In Köln sind aber auch an diesen Schulformen zwei beziehungsweise eine Stelle nicht besetzt. Insgesamt problematisch ist die Lage in Weiterbildungs- und Berufskollegs, wo vor allem Fachlehrer fehlen.

Ein „echtes Problem“ ist für Roters die Besetzung von Rektorenstellen an Grundschulen. „Das ist ein harter, zusätzlicher Job neben dem Unterricht, für den es keinen zusätzlichen finanziellen Anreiz gibt“, findet er Verständnis für die mangelnde Bereitschaft vieler Lehrer, sich für diesen Posten zu bewerben.

Dass seiner Behörde eine „möglichst gerechte und ausgeglichene“ Verteilung der Lehrer an alle Schulformen und an alle Schulen gelungen sei, macht Roters auch an der Tatsache fest, dass die Beschwerden von Eltern über Unterrichtsausfall zurückgegangen seien. In der Tat vermeldet die Kölner Aktion „Eltern pro Bildung“, die zu Jahresbeginn noch lautstark gegen Unterrichtsausfall protestiert hatte, auf ihrer Internetseite, dass sich die Lage an Gymnasien verbessert habe. „So liegen uns derzeit von keinem Gymnasium Klagen über eine nicht zumutbare Unterdeckung im Vergleich zur Stundentafel des Landes NRW vor.“ Man werde die Entwicklung aber „kritisch“ beobachten.

Widerspruch kommt allerdings von Josef Bünger. Der Vorsitzende der Stadtschulpflegschaft Kölner Grundschulen bestreitet grundsätzlich die Ausgangslage der Berechnungen. Nach seiner Auffassung müssten die erforderlichen Lehrerstellen nach den Unterrichtsstunden berechnet werden, die der Lehrplan vorgibt. Stattdessen werde aber „je nach Schulform ein Lehrer für eine bestimmte Klassengröße festgesetzt. Hat die Klasse nun beispielsweise zwei Schüler weniger, entsteht automatisch ein Lehrerüberhang.“ Büngers Schlussfolgerung: Der „wahre Fehlbedarf“ liege mindestens beim Fünffachen dessen, was Roters errechnen ließ. Jürgen SCHÖN