Wendländisches Tagebuch (3): Mi, 3. 11. 2004
: Erleuchtete Brücken

Familie Zitterbart aus Gedelitz wohnt drei Kilometer vom Zwischenlager Gorleben entfernt. Der Atommüll-Zug, der nächste Woche eintreffen soll, bringt auch ihren Alltag durcheinander. Ein Tagebuch, heute von Uwe Zitterbart, 44, Möbeldesigner

Wir waren heute den ganzen Tag in der Werkstatt – man arbeitet halt vor, um das Wochenende frei zu haben. Deshalb haben wir nichts Großartiges erlebt, höchstens so ein paar Randgeschichten. Zum Beispiel hat unsere Tochter, die ist jetzt 13 Jahre alt, uns gesagt, dass sie in diesem Jahr erstmals zur Schüler-Demo gehen will.

Die findet am Freitag statt. Für uns ist das natürlich eine zwiespältige Angelegenheit. Denn einerseits freut man sich, dass sie politisches Interesse zeigt, das wollen wir ja. Aber andererseits hat man dann auch Ängste und Bedenken. Auch bei den Schüler-Demos kann ja schließlich etwas passieren, je nach dem, wie sich die Polizei in ihren Maßnahmen gerade behindert fühlt.

Das Polizeiaufgebot nimmt jetzt täglich zu. Es sind Laster mit Absperrgittern und Flutlichtmasten angekommen, zum Teil sind die an bestimmten Streckenabschnitten schon jetzt aufgebaut. An der Seerauer Brücke zum Beispiel, da sind links und rechts der Gleisanlagen Scheinwerfer installiert, und die ist auch nachts hell beleuchtet, weil das im Sinne der Polizei ein Schwachpunkt war. Vor drei Jahren, glaube ich, hatte jemand einen Traktoranhänger mit Strohballen dort unter die Brücke gefahren und angezündet. Das hat zu großen Schwierigkeiten geführt:Anders als ein normales Gleisstück lässt sich ja eine Brücke nicht so ohne weiteres reparieren.

Wer in einer Form demonstrieren will, die wahrgenommen wird, muss sich schon richtig etwas einfallen lassen: Die Verordnung der Bezirksregierung füllt in der Elbe-Jeetzel-Zeitung zwei ganze Seiten – in Kleinstschrift. Da bleibt nicht mehr viel übrig, was man noch darf. Auf den Alltag wirkt sich das erst dann richtig aus, wenn der Transport unterwegs ist. Besonders gegen die Einschränkungen der Versammlungsfreiheit zu verstoßen, das geht schnell. Unsere Dorfstraße zum Beispiel ist eine richtige Eichenallee. Im Herbst treffen sich da alle zum Laubharken. Und dann taucht die Frage auf – ist gemeinsam Laubharken eine Versammlung? PROTOKOLL: bes