Kinder statt Kennzahlen

Reaktionen auf Schulschließungen: Grundschuleltern sind entsetzt und fürchten gefährliche Schulwege. GEW und Elternkammer zweifeln am Sinn der Senatspläne

„Ich habe nie gedacht, dass meine Kinder eines Tages wegen der angedrohten Schließung ihrer Schule weinend nach Hause kommen“, schreibt die Mutter Kristin Wakilzada. „Montagmittag wurde ich eines Besseren belehrt.“ Die Schule Musäusstraße in Iserbrook ist eine von 35 Grundschulen, die Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (parteilos) aufgeben will: „Um die anderen regionalen Grundschulen auf Dreizügigkeit zu bringen“, wie es in ihrer Pressemitteilung heißt.

Dabei, so berichtet die Mutter, habe die Schule am westlichen Stadtrand „steigende Kinderzahlen“ und liege in einem kinderreichen Baugebiet. Die Alleinerziehende fürchtet nun, ihren Job aufgeben zu müssen: Es wäre ihr unmöglich zu arbeiten, „wenn meine Kinder nicht mehr allein zur Schule gehen, weil ich sie in eine weiter entfernte Schule bringen muss“. Auf dem Weg zu anderen Schulen lägen große Straßen „mit Autos, die schneller fahren, als erlaubt, und ohne Ampeln und Zebrastreifen“.

Gedanken, die sich gestern gewiss viele Mütter machten. Die hohe Zahl der Grundschulschließungen stand am Tag nach der Veröffentlichung der Streichliste im Zentrum der Kritik und die Tatsache, dass Dinges-Dierig die Gymnasiale Oberstufe verschonte und gleich vier Integrierte Haupt- und Realschulen schließen will.

„In Grundschulen muss investiert werden. Sie müssen wohnortnah und stadtteilbezogen sein“, mahnt die GEW-Sprecherin Ilona Wilhelm. Dinges-Dierig liege hier mit ihrer Vorgabe, die Standorte müssten drei Klassenzüge haben, falsch. „Grundschulen haben kein Fachlehrerprinzip. Hier unterrichtet der Klassenlehrer fast alle Fächer.“ Ein breites Kursangebot könne also nicht als Argument für eine Mindestgröße herhalten. „Hier sollte es um Kinder gehen, nicht um Kennzahlen“, mahnte auch der Elternkammer-Vorsitzende Holger Gisch. Wenn man die relativ geringe Einsparsumme von 4,5 Millionen Euro sehe, stelle sich schon die Frage, „ob man dafür so viele Grundschulstandorte dichtmachen muss“.

Laut Dinges-Dierig könnte die Standortkonzentration 69 Stellen einsparen, die für Qualitätsverbesserung in den Schulen eingesetzt werden sollen. Allerdings ist diese Zahl winzig im Verhältnis zu den 152 Stellen, die die Senatorin den Grundschulen gerade erst bei der Sprach- und Leseförderung kürzte.

Hans Heyderich vom Personalrat der Grundschulen geht gar davon aus, dass zum nächsten Schuljahr in diesem Bereich noch mal eine Kürzung von 279 Stellen ansteht. So sei es im Juni im „Lehrstellenentwicklungsplan“ vermerkt worden, ohne dass es seither eine „gegenläufige Auskunft der Behörde“ gibt. Die 69 Stellen würden also allenfalls erneut drohende Kürzungen abmildern, aber nichts verbessern. Kaija Kutter