Mobile Mikrofilme statt Super 8

Bush als Rockstar, Eheleute in Schneekugeln: Gestern wurde das 20. Internationale Kurzfilmfestival eröffnet

Begonnen hat alles in Berliner Fabriketagen ohne Toiletten und in Kellern ohne Heizung. Dort zeigte Anfang der Achtzigerjahre ein kleine Gruppe Experimentalfilmbegeisterter Super-8-Filme. Aus dieser Initiative heraus entstand das International Short Film Festival Berlin. Von verruchtem Untergrund und von linker Subkultur ist heute allerdings nichts mehr zu merken.

Bei der Eröffnung des diesjährigen Festivals am Dienstagabend bleibt kein Platz leer im Auditorium des Hauses der Kulturen der Welt. Schlag auf Schlag geht es, wenn der englischsprachige Moderator Adrian Kennedy die Bühne betritt und das Publikum begrüßt. Er veralbert den Amerika-Wahlkampf und verteilt Seitenhiebe auf den Bush-Clan. Wenn Adrian Kennedy dann von dem Festival als „free willing society“ spricht, weiß man nicht, wie ernst man das nehmen kann, prangt doch ein fettes Banner des Sponsors Siemens im Hintergrund. Die Gäste aber honorieren jeden der knalligen Sprüche mit euphorischem Applaus. Als der erste Filmblock aber vorüber ist, beginnt die Moderation zu lahmen – mit seiner spritzigen Begrüßung hat Adrian Kennedy die Latte zu hoch gelegt.

Die Namen der Jurymitglieder werden verlesen. Förderer des Festivals loben sich selbst. Aus dem Publikum werden ein paar demonstrative Gähner platziert. Passend zum ironisch eingeführten Schwerpunkt „Amerika-Wahl“ wird dann endlich der erste Kurzfilm, ein Animationsfilm, gezeigt.

Was, wenn George W. Bush nur einen Wunsch hätte – nämlich Rockstar zu sein? Damit beschäftigt sich Sukwan Shin in „Rock the World“. Er zeigt Bush und Powell bei einem Geheimtreffen als Rockstars. Das ist eine angenehme, eine irgendwie beruhigende Vorstellung.

Schön anzusehen ist der australische Kurzfilm „We have decided not to die“ von Daniel Askill. Urmomente wie die Geburt, Wiedergeburt und Zustände dazwischen werden symbolisch dargestellt. In drei Szenen drückt je eine Person mit anmutigen Bewegungen tranceartige Zustände aus. Eine Frau liegt still und dann zuckend im Wasser, zwei Autos rammen einen Mann, der durch einen hohen, zur Unendlichkeit verzerrten Sprung in die Luft entkommt, ein anderer Mann läuft durch ein Glasfenster, hoch oben im Wolkenkratzer. Daniel Askill schlüsselt in genau strukturierten Bildern, in kristallklarer Farbe und Sprache mystische Momente auf.

Verschlüsselt und verschachtelt wirkt hingegen die Welt in der französischen Produktion „Strict Eternum“. Ein Klischee-Ehepaar – er repariert das Auto, sie nörgelt und sieht fern – lebt in einer bizarren Schneelandschaft aus Pappe. Sie tragen kunterbunte Kleidung im gleichen Muster ihrer Wohnzimmertapete und hacken aufeinander herum. Die Auflösung am Ende ist überraschend: Das Paar lebt in einer Schneekugel, die im Besitz eines anderen Paares in einer anderen wunderlichen Schneepapplandschaft ist.

Verblüffend komplex gestalten sich auch die präsentierten „Handy-Filme“. 2004 gibt es zum ersten Mal einen Preis für den besten mit dem Handy gedrehten Film, den „Siemens mobile Microcinema Award“. Nur 90 Sekunden hatten die Filmemacher Zeit, eine Geschichte zu erzählen. Gewollt oder nicht: Die Handy-Filme erinnern sofort an Super-8-Filme. Im ganz Neuen schimmert so etwas vom Alten, von den Anfangsjahren des Berliner Kurzfilmfestivals durch.

ANDREA EDLINGER

Interfilm, International Short Film Festival, bis 7.11. Neben einem internationalen gibt es auch einen deutschen, einen Kinderfilm- und einen Publikumswettbewerb. Es gibt Länderschwerpunkte und Spezialprogramme mit Animationskunst au Ostasien, Poetry Clips, Musikvideos, Super-8-Klassiker aus den Achtzigerjahren, kurze Dokumentarfilme, Retrospektiven und vieles mehr. Programm unter www.interfilm.de