schwabinger krawall: im ofen brennt’s von MICHAEL SAILER
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Weil es ihm reicht mit den Gaswerken, die jedes Jahr den Preis verdoppeln, und weil ihm „Fernwärme“ schon als Wort nicht gefällt und er sich mit Schaudern daran erinnert, wie er letzten Winter den unleidlichen Onkel Adolf mit der ganzen Sippe vier Tage lang auf dem Hals hatte, da ein Bagger irgendwo hineingebaggert und dadurch ausgerechnet während der Kältewelle sämtliche Anschlüsse eben dieser Fernwärme in Freimann beschädigt hatte – darum hat Herr Hammler beschlossen, den alten Kohlenofen im Wohnzimmer, der seit 1967 als Abstellfläche für Blumenvasen dient, wieder in Betrieb zu nehmen.

Seine Frau war anfangs skeptisch; schließlich gebe es in Schwabing keinen Kohlenlieferanten mehr, und außerdem solle er zuvor den Bezirkskaminkehrermeister fragen, ob das überhaupt legal ist. Herr Hammler hat erfahren, dass es dem Kaminkehrer und dem Gesetzgeber wurst ist, mit was er heizt, solange er keinen offenen Kamin benützt und keine alten Socken und Pressspanplatten verheizt. Also hat er den Gashahn abgedreht und beschlossen, den freien Allerheiligentag zu nutzen, um im Luitpoldpark nach Heizmaterial zu suchen.

Das erweist sich als schwierig. Was an Holz herumliegt, ist moosig, faulig, von Pilzen bewachsen, von Hunden angefieselt und sogar vollgeseicht. Zu allem Überfluss muss er sich von Kindern bestaunen, von Hundehaltern und Krähen beschimpfen und von einem Parkgärtner belehren lassen, dass es nicht gestattet sei, von lebendigen Bäumen Äste abzureißen. Demoralisiert macht er sich mit drei halbfeuchten Stöcken auf den Heimweg – und findet direkt vor der eigenen Haustür einen Haufen Altbretter, die er flugs in den Keller verschafft und in handliche Trümmer zersägt.

Mit einem Stoß Scheiten unter dem Arm und einem Triumphgrinsen im Gesicht stapft er in die Wohnung hinauf und widmet sich die nächsten zwei Stunden hingebungsvoll der Tätigkeit des Einschürens – bis er von seiner Frau gestört wird: Ob er das ganze Haus in eine Sauna verwandeln wolle und ob er das Läuten an der Tür nicht gehört habe, vor der ein Herr stehe, der etwas mit ihm besprechen wolle. Der Herr, ein Mann mittleren Alters in feinem Anzug, erklärt, er sei gerade aus Hannover angelangt, um in dieses Haus einzuziehen, und ob Herr Hammler vielleicht mitbekommen habe, wie der diebische Umzugsunternehmer seinen friesischen Bauernschrank aus dem Spätmittelalter eingepackt und mitgenommen habe. Einen Moment lang ist Herr Hammler sprachlos, dann erklärt er, er habe durchaus gar nichts gesehen, weil er mit Einheizen beschäftigt sei, wobei man ihn auch bitteschön nicht stören möge, und man lasse aber auch kein antikes Gerümpel auf der Straße herumstehen, um sich dann womöglich noch zu beschweren, wenn es ordnungsgemäß im Sperrmüll lande; im Übrigen gehe ihn das alles gar nichts an.

Nun ist der Herr aus Hannover sprachlos, und er bleibt es auch in der Folgezeit, wenn er Herrn Hammler im Treppenhaus begegnet, was nicht oft vorkommt, denn schon als zum nächsten Monatswechsel die Umzugswagen vorfahren, trägt er die Reste seines Mobiliars wieder aus dem Haus und verzieht unbekannt.