Tausende gedenken ermordeten Regisseurs

In den Niederlanden löst die Ermordung Theo van Goghs Entsetzen aus. Angst vor Verlust der traditionellen Toleranz

AMSTERDAM afp/edp ■ Tausende Menschen haben am Dienstagabend im Zentrum von Amsterdam friedlich des am Morgen ermordeten Filmregisseurs und Publizisten Theo van Gogh gedacht. Die Teilnehmer schlugen bei ihrem Zug durch die Straßen und der anschließenden Kundgebung auf Töpfe und Pfannen. Die Demonstranten folgten damit einer Aufforderung des Amsterdamer Bürgermeisters Job Cohen. „Wie Theo haben auch wir eine Meinung und das zeigen wir“, lautete das von ihm vorgegebene Motto des Treffens.

Van Gogh wurde am Dienstagmorgen auf offener Straße in Amsterdam von einem Mann angegriffen. Van Goghs letzter Kurzfilm „Submission“ über Frauen und den Islam hatte in der muslimischen Gemeinde heftige Reaktionen ausgelöst. Nach der Ausstrahlung im Fernsehen im Sommer hatte der Filmemacher Morddrohungen erhalten und bekam für einige Zeit Polizeischutz.

Der mutmaßliche Attentäter, der am Dienstag nach dem Mord festgenommen worden ist, hatte nach Angaben der niederländischen Regierung Kontakt zu radikalen Muslimen. Er gehöre zwar nicht zur Kerngruppe von 150 Radikalen, die der Geheimdienst ständig beobachte, erklärten Innenminister Johan Remkes und Justizminister Piet Hein Donner in einer schriftlichen Unterrichtung des Parlaments. Er habe aber Kontakt zu Mitgliedern dieser Gruppe gehabt, berichteten sie noch am Dienstagabend. „Der Geheimdienst hatte keinen Grund, ihm besonderes Augenmerk zuzuwenden“, erläuterte Remkes.

Über das Attentat berichteten gestern alle niederländischen Zeitungen in großer Aufmachung. „Abgeschlachtet“ lautete die große Balkenüberschrift der Zeitung De Telegraaf über einem Foto der Leiche mit einem großen Messer in der Herzgegend. „Das nehmen wir nicht hin“, titelte das Algemeen Dagblad.

Weil der mutmaßliche Täter ein Marokkaner mit niederländischem Pass ist, wird mit vermehrten Spannungen zwischen Niederländern und Zuwanderern gerechnet. Zudem befürchten Muslime Racheakte. Auch bei Politikern wächst die Angst vor zunehmenden Spannungen. „In unserem Land können wir offenbar nicht mehr gut miteinander leben“, sagte Justizminister Donner. Muslimische Organisationen fürchten Gewalt gegen Marokkaner und Moscheen. Sie haben sich von dem Anschlag distanziert. Doch bei der Kundgebung am Dienstagabend in Amsterdam waren nur wenige Marokkaner unter den 20.000 Demonstranten. „Die haben Angst“, sagt ein marokkanischer Einwanderer. „Die Stimmung gegen uns war schon schlimm, nun wird es noch schlimmer.“

Die niederländische Mitte-rechts-Regierung hatte bereits vor der Tat das Ende der liberalen Integrationspolitik angekündigt und Gesetze zur Einbürgerung und Immigration verschärft. Amsterdam galt als letztes Bollwerk des Ideals einer multikulturellen Gesellschaft. Doch das könnte nach dem Mord an Theo van Gogh Vergangenheit sein. Bereits nach der Ermordung des rechtspopulistischen Politikers Pim Fortuyn im Mai 2002 durch einen radikalen Tierschützer hatte sich das Klima merklich verschlechtert.