„Fürs Lukrative entschieden“

Fußballprofi Patrick Owomoyela wollte eigentlich Basketballer oder Musiker werden. Im taz-Interview spricht er über den Erfolg mit Arminia Bielefeld, Rassismus und Probleme junger Spieler

taz: Patrick Owomoyela, in Ihrer Jugend waren Sie ein guter Basketballer, warum sind Sie Fußballprofi geworden?

Patrick Owomoyela: Basketball habe ich früher mit Leidenschaft und Spaß gespielt, es war auch das Hobby meiner Freunde. Fußball lief bei mir aber immer parallel. Als mit 18 Angebote aus der Ober- und Regionalliga kamen, entschied ich mich für das Lukrative und versuchte es mit Fußball. Beim Basketball muss man extrem weit kommen, um davon leben zu können.

Würden Sie sich als Spätstarter bezeichnen?

Ich bin in kleineren Vereinen groß geworden und wurde nie als das Talent gefördert. Erst in den letzten beiden Jugendjahren entwickelte ich mich in meinem Klub TSV Stellingen zum Leistungsträger. Da ich erst mit 17, 18 auf mich aufmerksam gemacht habe, könnte man schon sagen, es ist ziemlich spät losgegangen. Besonders, wenn man bedenkt, dass ich jetzt Bundesliga spiele.

Musik war auch eine Option.

Das war noch, bevor ich in die Regionalliga gewechselt bin. Wir hatten ein Musikprojekt mit einem kleinen Plattenvertrag. Außer Auftritten bei Stefan Raabs „Vivasion“ und anderen TV-Shows ist daraus nicht viel geworden. Ich bin quasi nach einer CD und einem Video gefloppt. Musik hatte sich damit erledigt, bevor ich mich für Fußball entschieden habe.

Welche CD haben Sie als Letztes gekauft?

Gekauft? Hm, das war Sammy Deluxe. Hip Hop war der Soundtrack meiner Jugend.

Kennen Sie Advanced Chemistry, „Fremd im eigenen Land“?

Ja klar, (er rappt) „Ich habe einen grünen Pass mit ‚nem goldenen Adler drauf“.

In dem Stück geht es um rassistische Vorurteile gegenüber Deutschen, die nicht wie Deutsche aussehen. Haben Sie Ähnliches erlebt?

Nein. Ich wurde zwar auch schon von irgendwelchen Halbstarken angepöbelt, aber ernsthaft rechtsgerichteten Hass habe ich zum Glück noch nicht gespürt. Vielleicht auch, weil ich in Hamburg in einer multikulturellen Stadt aufgewachsen bin.

Gibt es im Fußballstadion die multikulturelle Gesellschaft?

In den Vereinen sind immer mehr Nationalitäten vertreten. Die Fans bekommen Kontakt zu dunkelhäutigen Spielern, damit baut sich auch unterbewusst eine Hemmschwelle ab, Spieler von anderen Teams auszubuhen. Die Entwicklung ist positiv, aber es bleibt wohl normal, dass Fans irgendwelche blöden Parolen rufen. Die wollen pöbeln und die andere Mannschaft niedermachen. Das gehört aber zum Fußball und geht nicht nur gegen Ausländer, sondern auch gegen deutsche Spieler.

Fußballfunktionäre sprechen von einer Überfremdung in deutschen Ligen.

Da muss man genau den Hintergrund betrachten. Sie wollen Talente für die deutsche Nationalmannschaft fördern. Wenn ausländische Stars gekauft werden, gibt es weniger Platz für Eigengewächse. Bei der Diskussion geht es nicht darum, dass es zu viele Ausländer gibt, sondern zu wenig Möglichkeiten für Deutsche.

Leistung spielt aber auch eine Rolle.

Nicht immer. Fußball ist auch ein Geschäft. Wenn jemand für fünf Millionen gekauft wird, dann muss der spielen. Sonst kann es einigen Personen den Kopf kosten. Ein teurer ausländischer Spieler hat daher immer Vorrang vor einem 18-jährigen, deutschen Talent.

Bei Arminia spielt der 20-jährige Matthias Langkamp.

Arminia kauft ja auch nicht im Ausland die Stars für teures Geld. Wir sind hier fast alle noch Talente, haben eine sehr homogene Mannschaft. Für die Jungen ist es in Bielefeld leichter, weil ein nicht so großer Erfolgsdruck herrscht. Wir müssen schließlich nicht um den UEFA-Cup spielen.

Der nigerianische Verband hat Ihnen angeboten, für die Nationalmannschaft zu spielen. Dann könnten Sie nicht mehr das deutsche Trikot tragen. Eine schwierige Entscheidung?

Nein, ich habe kein Angebot der deutschen Nationalmannschaft. Ich habe noch nie für eine deutsche Auswahl gespielt, noch nicht einmal im Jugendbereich. Jetzt muss ich mich einfach entscheiden, ob ich international spielen möchte. Dabei mache ich mich nicht verrückt, für welches Land das nun der Fall ist.

Haben Sie Verbindungen zu Nigeria?

Mein Vater kommt daher und ein Teil meiner Familie lebt dort. In letzter Zeit wollen sie vermehrt hören, wie es läuft. Obwohl ich in Deutschland geboren bin und noch nie in Nigeria war, ist mir das Land nicht fremd. Wurzeln greifen eben auch um die Erde.

Wie sieht Ihre persönliche Bilanz nach den ersten elf Bundesligaspielen aus?

Klar bin ich mit zwei Toren zufrieden, aber insgesamt könnte es für mich und die Mannschaft noch besser laufen. Bilanz ziehe ich zur Winterpause. Dann kann ich gucken: Wo lagen meine Schwächen, war ich konstant?

Sie sind für Trainer Uwe Rapolder auf der rechten Seite sowohl offensiv als auch defensiv die erste Wahl. Welche Position macht mehr Spaß?

Mittlerweile ist mir das egal. Am Anfang wollte ich mehr vorne spielen. Inzwischen habe ich auch die Vorzüge in der Abwehr kennen gelernt. Es ist für mich immer schön zu sehen, vom Trainer auf beiden Positionen das Vertrauen zu bekommen.

Aus dem mittelmäßigen Zweitligateam wurde das Bundesligateam. Was macht Rapolder anders als sein Vorgänger Benno Möhlmann?

Wir spielen ein anderes System. Stehen mit unserer Viererkette hinten sehr kompakt und lauern mehr auf Konter. Damit haben wir den Grundstein für den Aufstieg gelegt. Auch in der Bundesliga scheint dieses System zu greifen. Außerdem hat Delron Buckley einen Riesenlauf. (Anm.: der Neuzugang aus Bochum erzielte bislang 7 Tore).

Am Samstag kommt Borussia Dortmund. Wer verliert, rutscht Richtung Abstiegszone. Spürt die Mannschaft da einen besonderen Druck?

Druck hatten wir seit Beginn der Saison. Wir wussten, dass wir gegen den Abstieg spielen. Daher sind wir auch nicht nach den zwei Niederlagen in Leverkusen und Kaiserslautern aus allen Wolken gefallen.

Wie sieht die Zukunft aus?

In meinem ersten Bundesligajahr bin ich erstmal froh, dass ich das Vertrauen bekomme und spielen darf. Ich bin aber genauso froh, dass ich noch ein weiteres Jahr an Arminia gebunden bin. Ich fühle mich hier sehr wohl und muss mich nicht jetzt schon für einen neuen Vertrag empfehlen. Klar möchte ich auch im Vereinsbereich irgendwann international spielen und vielleicht zu einem großen Klub wechseln. Aber damit beschäftige ich mich jetzt noch nicht.

INTERVIEW:

CARSTEN BIERMANN