hamburger szene
: Milchmädchenrechnungen

Manche Rechnungen sind schlicht, aber das heißt ja eigentlich nicht, dass sie nicht aufgehen könnten. Bezahlte Aufmunterung gehört in diese Kategorie, und eine Untergruppe der bezahlten Aufmunterung sind Besuche bei Kosmetikerinnen. Man verspricht sich Berührung der freundlich-desinteressierten Art, vielleicht minimale Verschönerung, vielleicht ein aufmunterndes Wort. Dabei vergisst man, dass es beim letzten, auch beim vor- und vorvorletzten Mal anders lief, aber man vergisst so vieles und verspricht sich wer weiß was von Arbeitsplätzen, Liebschaften und Umzügen.

Die Sonne schien, als ich zu der Kosmetikerin radelte, die in einem Naturkosmetikladen ihrer Tätigkeit nachging. Sie war allerdings nicht da. Ich betrachtete die Öle, die Ausgeglichenheit und Frohsinn versprachen, während die Verkäuferin beteuerte, dass die Kollegin gleich käme. Die Kollegin war angenehm unschick, sie trug etwas Jeansjackenartiges und gepflegt wäre kein Wort, das man mit ihr in Verbindung bringen müsste.

„Ich bin froh, dass ich nicht wie eine Kosmetikerin aussehe“, sagte sie. Wir sprachen über die Schönheit anderer Städte, die Tücken des Arbeitsmarkts und die unverschämten Hotelpreise im Naturmessenumfeld. Die Kosmetikerin pinselte teure, naturbelassene Masken auf mich und besserte mit teuren, naturbelassenen Cremes nach. Nach 90 Minuten war sie fertig und betrachtete mich nachdenklich. „Äußerlichkeiten sind nicht so wichtig“, sagte sie. FRIEDERIKE GRÄFF