Sukzessiver Mittäter

Im PKK-Prozess um die Besetzung der SPD-Zentrale plädiert die Anklage auf Geiselnahme und fordert drei Jahre und neun Monate Haft

„Der Sachverhalt ist nicht immer so einfach und eindimensional“

von KAI VON APPEN

Fast vier Jahre nach der Besetzung der Hamburger SPD-Zentrale durch KurdInnen versucht die Bundesanwaltschaft (BAW) gegen den Ex-Funktionär der Kurdischen Arbeiter-Partei (PKK), Ali Z., die Geschichte umzuschreiben. Zwar hatte der Angeklagte (48) nicht an der Besetzung teilgenommen, zwar hatten sich bereits mehrere Hamburger Gerichte mit der außer Kontrolle geratenen Aktion beschäftigt und festgestellt, dass „keine geplante Geiselnahme“ vorgelegen habe. Trotzdem beantragte die BAW gestern vor dem Oberlandesgericht gegen Z. drei Jahre und neun Monate Haft wegen Geiselnahme, Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Landfriedensbruch und Anstiftung zum Hausfriedensbruch.

Dabei ist die Besetzung des SPD-Hauses am 17. Februar 1999 für die Anklage der Anlass, um Ali Z. in einem aufwendigen „Strukturermittlungsverfahren“ nach jahrelangen Ermittlungen doch noch den Prozess machen zu können. Die Aktion hatte nach der Verhaftung von PKK-Chef Abdullah Öcalan stattgefunden und war – nicht zuletzt wegen des Vorgehens der Polizei – eskaliert. Im Verlauf war der damalige SPD-Kreisgeschäftsführer Dirk Sielmann aus dem Fenster gehalten worden, andere AktivistInnen hatten mit Selbstverbrennung gedroht, um einen Polizeizugriff zu verhindern.

Dass Ali Z. daran eine Mitschuld trage, muss daher aufwendig konstruiert werden. „Der Sachverhalt ist nicht immer so einfach und eindimensional“, sagt BAW-Anwalt Kaiser. Da Z. die Funktion des „Regionalverantwortlichen Nord-West“ gehabt habe, sei er ohnehin in die „kriminelle Vereinigung“ des PKK-Ablegers ERNK involviert gewesen, dem Erpressung und Körperverletzung von Landsleuten zur Last gelegt wird. „Es ist unerheblich, ob er selbst an Strafaktionen beteiligt war, es reicht eine Beteiligung am Verbandsleben aus.“ Und da der „Krisenstab“ der ERNK für den Fall von Öcalans Verhaftung die Order ausgegeben habe, „die Massen zu organisieren und im Ernstfall zu reagieren“, habe es sich bei der Aktion um „keinen spontanen Protest kurdischer Patrioten gehandelt“, schlussfolgert BAW-Anwalt Hausschild.

„Die Geiselnahme war zwar von dem Angeklagten nicht angeordet worden“, räumt Hausschild ein. „Der Angeklagte hat aber nichts unternommen, die Geiselnahme zu beenden, obwohl er die Befehlsgewalt gehabt hatte.“ Er sei daher wegen seiner kurzen Anwesentheit vor der Tür einer „sukzessiven Mitttäterschaft“ schuldig: „Er war vor Ort, die Tat fand durch andere statt.“

Schon zu Verhandlungsbeginn hatte der Vorsitzende Richter Ernst-Rainer Schudt den „rechtlichen Hinweis“ gegeben, dass die Vorkommnisse in der SPD-Zentrale auch als einfache Freiheitsberaubung gewertet werden könnten. Sielmann hatte wiederholt ausgesagt, dass er von den Kurden nicht mit Gewalt bedroht worden sei.

Die Verteidigung plädiert am Dienstag.