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: HELMUT HÖGE über angewandten Antiamerikanismus

Die neuen No-go-Areas sind da!

Auch für Oskar Lafontaine ist Amerika nun Vorbild: „Ich sage nur ‚7 Prozent Wachstum‘!“, verkündete er neulich in „Deutschlands wichtigster Talkshow“ (Die Welt). Stadtentwicklungssenator Peter Strieder hat die Amerikanisierung bereits persönlich gepusht – und die nun fast fertig aufgemotzten Rathauspassagen an die nach Einschätzung der Gewerkschaften „schlimmsten Arbeitgeber der Welt“ verscherbelt: an Wal Mart inklusive McDonald’s.

Dass es rundherum bereits viele Billigkaufhäuser und Malbouffe-Ketten gibt, ficht die beiden Amikonzerne nicht an – im Gegenteil: die „Marketing-by-Saturating-Tactics“ ist ihre Spezialität. Daneben sind die beiden Weltmeister unter den Ausbeutern auch noch berühmt dafür, dass sie in Europa gerne ihre Betriebsräte mobben. In den USA gibt es keinen einzigen gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter in den 15.000 McDonald’s-Filialen – sie wurden diesbezüglich von den Managern sogar mit Hilfe von Lügendetektoren eingeschüchtert.

Über Wal Mart schreibt die US-Journalistin Barbara Ehrenreich, die dort selbst arbeitete: „Zwar blieb mir die ‚finale Demütigung‘ erspart, beim allmorgendlichen Wal-Mart-Sprechchor mitzumachen, aber irgendwann sagte ich zu einer Kollegin – obwohl dort das Fluchen verboten war: ‚Wir brauchen eine Gewerkschaft!‘ Endlich war das Wort heraus.“ Zwar schafften Ehrenreich und ihre Kolleginnen es nicht, sich wirklich gewerkschaftlich zu organisieren, aber „das Wort“ überhaupt laut zu sagen, kam ihnen schon wie ein kleiner Sieg vor.

Im Nachhinein urteilt die Autorin, sie hätte dort tatsächlich „etwas bewegen können“, aber sie konnte es sich finanziell nicht leisten, noch länger bei Wal Mart zu arbeiten: Sie verdiente dort so wenig und ihre Unterkunft kostete andererseits so viel, dass sie täglich 50 Dollar draufzahlte – und eine billigere Bleibe fand sie in Boomtown Portland nicht.

Als legal Beschäftigte kam sie das Wal-Mart-Management dennoch zu teuer, so dass das Unternehmen in den letzten Jahren zunehmend Illegale einstellte, die noch billiger sind. Der Riesenkonzern ging dabei kaum ein Risiko ein, denn keine örtliche Behörde wagte es, gegen ihn vorzugehen. Erst neuerdings – mit dem schrecklichen Home Security Act – hat sich das geändert: Kürzlich wurden in 150 Wal-Mart-Filialen Razzien veranstaltet, wobei die Polizei 250 illegale Putzkräfte (meist aus Osteuropa) verhaftete. Die Geschäftsführung erklärte: Es sei ihr schleierhaft, wie die dorthin gekommen seien.

Auch US-Umweltschützer und Stadtplaner bekämpfen Wal Mart: vor allem deswegen, weil deren riesige Filialen landauf, landab die Gegend verschandeln und tausende von Kleinstädte veröden lassen. Und die US-Linke agitiert gegen Wal Mart, weil der Konzern seinen Billigschrott aus Asien mit einem ekelhaften US-Patriotismus vermarktet.

In Deutschland sind bisher 95 Wal-Marts-Filialen gerade dabei, sich unbeliebt zu machen: Ver.di wirft dem Konzern vor, „Sozialdumping“ zu betreiben, und ein Gericht verurteilte Wal Mart kürzlich unter Androhung einer hohen Geldstrafe dazu, endlich seine Bilanzen offen zu legen.

Zwar wird Wal Mart-McDonald’s am Rathaus etliche Arbeitsplätze schaffen – und die werden wohl auch, im Falle, dass sie Langzeitarbeitslose nehmen und qualifizieren, staatlich bezuschusst, aber erstens erfordert zum Beispiel die McDonald’s-Maschinerie keine Kenntnisse mehr: „Je einfacher die Benutzung für den Mitarbeiter, desto weniger müssen wir ihn schulen“, lautet das Credo des Chefingenieurs für technische Ausstattung im Konzern. Und zweitens liegt die Fluktuationsrate in den US-Fast-Food-Filialen zwischen 300 und 400 Prozent, das heißt, die Beschäftigten halten sich dort nur drei bis vier Monate. Dafür kommen viele jedoch später wieder – um ihre ehemalige Arbeitsstelle voll Hass auszurauben: „1998 kamen in den USA mehr Fast-Food-Mitarbeiter bei der Arbeit ums Leben als Polizisten“, fand Eric Schlosser bei Recherchen für sein Buch über „Die dunkle Seite von McFood & Co.“ heraus.

Berlins Senatsbaudirektor Hans Stimmann hatte schon zwei Jahre vor der Eröffnung gegenüber zwei Wal-Mart-Managern einmal gemeint: „Jemand müsste auf die Rathauspassagen eine Bombe schmeißen!“