steffen grimberg
: Unser bestes Vollkornbrot

Das Zweite sucht „Unsere Besten“, das russische Fernsehen Hungerkünstler. Und wozu soll das gut sein?

Heute soll es mal um den begnadeten Volksverklärer – Verzeihung: Volksschullehrer Johannes B. Kerner gehen. Um seine wunderbare ZDF-Show „Unsere Besten“, in der sich jetzt Guido Knopp als Enkel des Kofferträgers von Konrad Adenauer outete. Und die im Stil einer QVC-Einkaufsshow passend zur aktuellen Reformdebatte eine erfrischende Neuinterpretation des Bildungsauftrags der Öffentlich-Rechtlichen liefert.

Der Zuschauer sorgt mit TED und 24 Cent pro Anruf für Wirtschaftswachstum, indem er für einen der Kandidaten – am Dienstag Adenauer und Willy Brandt – stimmt. Ein waschechter Politjournalist (Steffen Seibert) erläutert dazu bierenst Statistik. Und am Ende ist Karl Marx vom ersten Platz vertrieben. „Unser Bester“ ist ab sofort Adenauer. Nicht zu verwechseln mit „Unser Bestes“. Das ist ein Industrie-Vollkornbrot.

Weil alles so prima klappt, hat das ZDF bestimmt schon eine dreistellige Summe für die nächste Bundestagswahl geboten: Nach dem Kanzlerduell darf das Volk bequem per TED abstimmen, von den 24 Cent pro Anruf wird die Bundesschuld getilgt, Seibert ist ohnehin dabei, und am Ende heißt der Kanzler endlich wieder Konrad Adenauer … So viel zum öffentlich-rechtlichen Highclass-Amusement. Vielleicht machen die Privaten dann ja mal wieder etwas ganz Ekliges, damit der feine Unterschied erhalten bleibt. So wie der russische Privatsender TNT. Der hat 12 KandidatInnen aus Russland in einen Container in Berlin-Spandau gepackt. „Golod“, zu Deutsch „Hunger“, heißt das „Big-Brother“-Derivat. Der Container mag neben Kameras und Mikrofonen über Ikea-Charme und einen Whirlpool für leicht bekleidete Nahaufnahmen verfügen: Bargeld gibt es nicht. Nicht mal für „Unser Bestes“.

Aber essen dürfen die angeblichen Hungerkünstler dann doch: Es gäbe „kiloweise Kartoffeln, Nudeln und Butter“, zusätzlich täglich „ein Getränk mit 2.000 (!) Kilokalorien und Vitaminzusätzen“, schleuderte der Sender gestern dem entrüsteten Medienaufschrei entgegen. Was denn nun? Sollen die Insassen betteln gehen oder sich sonst wie vermarkten (in Florida, wo schon ein „Golod“-Durchgang lief, ging man eben ins Striplokal oder sonst wie anschaffen, erzählte ein Teilnehmerin dem Tagesspiegel) oder ist „Hunger“ einfach nur ein pudellangweiliges Reality-Format mit provokantem Titel? Der SiegerIn winkt angeblich eine lebenslange Rente von 1.000 Dollar im Monat. Jedenfalls solange der Sender nicht wie diverse andere von Putins Schergen unter fadenscheinigen Gründen geschlossen wird. Die Gefahr dürfte angesichts so hochpolitischer Programme wie „Golod“ gering sein.