Jubelperser für Kinderwahlrecht

NRW-Tag der Jungen Union wird heute radikalere Reformen fordern. CDU-Oppositionsführer und Reformskeptiker Rüttgers muss dem Nachwuchs seinen Zickzackkurs der letzten Monate erklären

VON MARTIN TEIGELER

Die Junge Union (JU) kommt wieder von den Tischen. Wie die Jubelperser hatte der Parteinachwuchs den letzten CDU-Bundeskanzler vor zwei Wochen mit Standing Ovations auf Tischen und Stühlen besungen: „Und wir haben ein Idol: Helmut Kohl!“. Nachdem die Jungspunde beim Bundeskongress Ende Oktober noch ihr großes Vorbild gefeiert hatten, ist beim heutigen „37. NRW-Tag“ der JU in Hagen Programmarbeit statt Personenkult angesagt.

„Wir brauchen eher mehr, als weniger Reformen“, sagt der JU-Landesvorsitzende Hendrik Wüst. Der 29-jährige Rechtsanwalt aus dem Münsterland spricht für die Mehrheit seines Verbandes, wenn er ein noch schnelleres Reformtempo in Deutschland fordert. „Mit Hartz IV haben wir kein Problem“, so Wüst gestern zur taz. Die Reformpolitik der rot-grünen Bundesregierung sei richtig – nur noch viel schneller müsse es gehen. Kinderwahlrecht für fruchtbare Familien, ein Pakt gegen Staatsverschuldung, Steuerreformen à la Friedrich Merz: Die Jüngsten der Partei wollen der zerstrittenen Union mehr Mut einbläuen.

Bereits beim JU-Bundeskongress hatte der aus NRW kommende Bundesvorsitzende der Jung-Christen, Philipp Mißfelder, der umstrittenen Parteichefin Angela Merkel demonstrativ den Rücken gestärkt. Im Unions-Streit um Gesundheitsreform und Kündigungsschutz stehen die jungen Männer (und wenigen Frauen) der JU zu „Ängie“. Frau Merkel – die in der JU eigentlich seit jeher unbeliebt war – solle wissen, so Mißfelder , „dass es in der Union Kräfte gibt, die für mehr Reformen einstehen und nicht für weniger“.

In Hagen heißt der Hauptredner nicht Merkel, nicht Helmut Kohl, sondern Jürgen Rüttgers. Der CDU-Landesvorsitzende wird dem Nachwuchs erklären müssen, warum er seit Monaten zu den Reformskeptikern in der Union zählt. Rüttgers‘ Forderungen nach einer „Generalrevision“ der Arbeitsmarktreformen oder nach einer Abschwächung des CDU-Konzepts zur Kopfpauschale werden die jungen Unionisten kaum zu Jubelstürmen hinreißen.

Anfang dieser Woche hatte Rüttgers ein Ende des parteiinternen Streits gefordert. „CDU und CSU müssen geschlossen und gemeinsam auftreten“, sagte Rüttgers mit Blick auf den Düsseldorfer Bundesparteitag der CDU im Dezember. Bis dahin solle Einigkeit herrschen. Dass er mit seinen Einwürfen gegen die Bundespartei selbst zum CDU-Streitherbst beigetragen hatte, erwähnte Rüttgers mit keinem Wort. Einen frostigen Empfang werden die Jung-Konservativen Rüttgers nicht bereiten. Schließlich ist der ja Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2005.

„Das ist doch ein Karrieristen-Verein“, sagt ein Mitglied des CDU-Landesvorstands über die Neo-Cons aus NRW. „Gerade Leute wie Mißfelder und Wüst wollen einfach nur in den Bundestag“, so der Christdemokrat. Jahrelang hätten die JUler gegen Merkel gestänkert, jetzt würden sich die Nachwuchspolitiker an die Ostdeutsche heranschmeissen: „So nach dem Motto: Piep, Piep, Piep – wir haben uns alle lieb.“