Konsens in Punkto Unterricht

VertreterInnen von 16 Wahllisten und zwei Einzelbewerber für den neu zu wählenden Integrationsrat kämpfen gegen das Informationsdefizit und bemühen sich um Profil

Köln taz ■ Das Domforum platzt aus allen Nähten: Immer neue Stühle müssen für das interessierte Publikum und einen Gutteil der 271 Kandidaten herbeigeschafft werden. Genauso groß wie der Platzmangel ist auch das Informationsdefizit beim Publikum. Nur 22 Sitze plus 11 Ratsvertreter gibt es im neu zu wählenden Gremium, das bisher Ausländerbeirat hieß. Bis zum 21. November wählen in Köln ansässige Ausländer – und auf Antrag auch eingebürgerte Deutsche – den Integrationsrat.

Die Vielzahl der Bewerber erstaunt: „Ich hätte nicht gedacht, dass die Konkurrenz zwischen den Gruppen so groß ist“, bestätigt Veronica Oommen von der Liste „Wir in Köln“ den ersten Eindruck. Sechs vorwiegend türkische, drei italienische, drei mehrheitlich russische, eine türkisch-kurdische und drei internationale Listen treten an. Jede bekommt nur fünf Minuten Zeit, sich und ihre Ziele vorzustellen.

Da fällt es schwer, Profil zu zeigen. „Viele Listen sind von einer Nationalität dominiert, und wir sind gegen nationalen Lobbyismus“, sagt Maria Bogdanou von der grünen „Offenen Liste Integration“. „Aber viele Probleme betreffen alle Migranten gleichermaßen.“ Die Griechin sieht sich als Fürsprecherin aller Einwanderer, „auch derer, die noch kein Wahlrecht haben“. Was ihre Liste von den anderen unterscheide, seien frauenpolitische Forderungen und das Engagement für lesbische und schwule Migranten. „Sie werden oft mehrfach diskriminiert.“

„Was tun Sie gegen die Konflikte zwischen türkischen und russischsprachigen Jugendlichen?“, will eine Zuhörerin wissen. Alexandra Chernikova vom „Bund Kölner Migranten“ verweist auf ein multikulturelles Theaterprojekt in Porz. „Wenn Kinder etwas gemeinsam machen, fragen sie nicht mehr nach der Nationalität“, weiß Chernikova. Die Bauingenieurin will weitere Jugendclubs mit neuen Interessenschwerpunkten gründen.

Einig sind sich die Bewerber in ihrer Forderung nach zweisprachigem Unterricht in den Grundschulen: die Muttersprache und Deutsch. „Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass erst die Muttersprache fundiert sein muss, bevor das Deutsche darauf aufgebaut werden kann“, begründet Gonca Mucuk-Edis von der sozialdemokratisch orientierten „Liste der Demokraten“ ihre Forderung. „Ich habe meinem Sohn als erstes Türkisch beigebracht, rede mit ihm in dieser Sprache, wenn es um emotionale Dinge geht.“ Aber wo sollen Afrikaner, Osteuropäer oder Asiaten muttersprachliche Klassen finden?“, wendet eine Zuhörerin ein. „Sie sind doch zahlenmäßig nicht stark genug.“ Für Tayfun Keltek von der „Liste der Demokraten“ ist das kein Gegenargument: „Mit dieser Begründung wurde den großen Immigrantengruppen bisher der zweisprachige Unterricht verwehrt.“

Die Liste „Phoenix“ will schon im Kindergarten ansetzen. Russischsprachige Migranten hätten es hier schwer, einen Platz für ihre Kinder zu finden, erzählt Viktor Ostrowski. „Bis zu einem Jahr Wartezeit auf einen Kindergartenplatz ist keine Seltenheit.“ Phoenix will deshalb mehrsprachige Kindergärten fördern.

Mehr Geld für interkulturelle Zentren und kostenlose Sprachkurse fordern fast alle Listen. Die Kompetenzen des neuen Integrationsrates wollen sie auch ausbauen. Und: „Es muss endlich ein Antidiskriminierungsgesetz her“, so Veronica Oommen von „Wir in Köln“. „Dann können wir unsere Forderungen auf eine sichere rechtliche Grundlage stellen.“ Silke Freude